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Angela Merkel (re.) begrüßte János Áder vor dem Berliner Kanzleramt. Danach folgte ein weniger freundliches Gespräch.

Foto: AP/Breloer

Straßburg/Budapest/Berlin - Die vom ungarischen Parlament am Montag beschlossene Verfassungsänderung wird auch im EU-Parlament sehr kritisch gesehen. In dessen Innenausschuss läuft noch ein Verfahren gegen Budapest wegen möglicher Grundrechteverletzung. Er sei "enttäuscht", dass die Regierung von Viktor Orbán sich über die Bedenken der Partner in Europa hinweggesetzt habe, erklärte Parlamentspräsident Martin Schulz. Die Verfassungsnovelle bedeute eine "Schwächung der Demokratie".

Die EU-Kommission und der Europarat haben angekündigt, die neuen Gesetze in Budapest einer Prüfung auf Verträglichkeit mit den europäischen Verpflichtungen zu unterziehen. Die kritisierten Verfassungsänderungen sehen eine Beschneidung der Befugnisse des Verfassungsgerichts vor ebenso einen Durchgriff der Regierung auf Justiz und Hochschulen und vieles mehr.

Der Mehrheit von sozialdemokratischen, grünen und liberalen EU-Abgeordneten geht das Prüfverfahren zu langsam. Sie verlangen von der Kommission konkrete Schritte gegen Budapest. Die Grüne Ulrike Lunacek spricht sich dafür aus, langfristig den EU-Vertrag zu ändern und einfachere Verfahren einzuführen für den Fall, dass ein Mitglied die Mindestkriterien im Bereich Demokratie verletzt.

Präsident Áder am Zug

In Budapest zogen am Montagabend, wenige Stunden nach Verabschiedung der Verfassungsnovelle, mehrere tausend Menschen vor den Präsidentensitz auf der Burg. Denn nun liegt es an Staatspräsident János Áder, die Novelle mit seiner Unterschrift in Kraft zu setzen oder zur Prüfung an das Verfassungsgericht zu verweisen.

"Ne írd alá, János / Veled van a város!" (Unterschreib nicht, János / Die Stadt ist mit dir!), skandierten die Teilnehmer. Auch der konservative Exstaatspräsident László Sólyom - von 1990 bis 1998 der erste Präsident des Verfassungsgerichts - forderte Áder in einem Gastbeitrag für die oppositionelle Tageszeitung Népszabadság dazu auf, die Verfassungsänderungen nicht ungeprüft gegenzuzeichnen. Denn die Entmachtung des Verfassungsgerichts führe dazu, dass die von Orbán kontrollierte Zweidrittelmehrheit im Parlament keiner Verfassungskontrolle mehr unterliege.

Doch wie das Internetportal Origo unter Berufung auf Kreise in der Regierungspartei Fidesz am Dienstag berichtete, wird der Präsident die Grundgesetznovelle ohne Widerrede passieren lassen. Dies sei bereits seit längerem mit Orbán abgesprochen.

Áder weilte zum Zeitpunkt der Demonstration bereits in Berlin, wo er sich dann am Dienstag deutliche Kritik von Bundeskanzlerin Angela Merkel anhören musste. Die Kanzlerin habe "erneut für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Zweidrittelmehrheit geworben", sagte ein Regierungssprecher nach dem Treffen.

"Nicht präzis informiert"

Áder, der aus dem Gründerkreis von Orbáns Fidesz stammt, ließ seinerseits Zustimmung zur Verfassungsänderung durchblicken: "Die deutschen Gesprächspartner waren nicht mit der gebotenen Präzision informiert", meinte er nach dem Gespräch mit Merkel. Dies habe er zu beheben versucht.

Premier Orbán sprach sich indessen für den Aufbau eines staatlichen Bankensystems in Ungarn aus. Es gebe zu viele ausländische Kreditgeber, sagte er am Dienstag auf einer Wirtschaftstagung in Budapest. (tom, gma, DER STANDARD, 13.3.2013)