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Wenn ein Arbeitgeber für Kinder extra zahlt, ist dies eigentlich positiv. Doch Teilzeitkräfte - und das sind vor allem Mütter - fühlen sich benachteiligt. Das könnte das ganze System kippen.

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Wer Teilzeit arbeitet, darf aufgrund der reduzierten Arbeitszeit nicht schlechter behandelt werden als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte - es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen die Ungleichbehandlung. Dieses europarechtliche Diskriminierungsverbot, das auch im nationalen Recht fest verankert ist, wurde aus Sicht des Österreichischen Gewerkschaftsbundes verletzt.

Stein des Anstoßes ist eine Bestimmung des Kollektivvertrags für Angestellte von Banken und Bankiers, nach der Arbeitnehmern vierzehnmal jährlich eine Kinderzulage in Höhe von mindestens 114,83 Euro pro Kind, für das Anspruch auf gesetzliche Familienbeihilfe besteht, gebührt. Diese Zulage steht teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern jedoch nur anteilig im Ausmaß ihrer Arbeitszeit zu.

Der ÖGB sieht in dieser Aliquotierung eine unzulässige Diskriminierung und erhob Klage. Der Oberste Gerichtshof schaltete daraufhin den Europäischen Gerichtshof zur finalen Klärung ein (8 ObA 20/12t). Mit einer Entscheidung wird noch heuer gerechnet.

Entgelte oder andere teilbare Leistungen stehen Teilzeitbeschäftigten grundsätzlich aliquot, also entsprechend dem Anteil ihrer Arbeitszeit, zu. Es gilt der Pro-rata-temporis-Grundsatz. Unteilbare oder nicht an die Arbeitszeit bzw. Arbeitsleistung gekoppelte Entgelte, Leistungen und Rechte stehen Teilzeitbeschäftigten im vollen Ausmaß zu.

Entgelt oder Sozialleistung

Es stellt sich daher die Frage, wie die Kinderzulage zu sehen ist. Der OGH qualifizierte die Kinderzulage zwar als vertragliche Leistung, die unter den - tatsächlich sehr weiten - Entgeltbegriff einzuordnen ist. Die Zulage steht jedoch in keiner unmittelbaren Relation zur Arbeitszeit. In Anlehnung an die gesetzliche Familienbeihilfe dient die Leistung eher als zusätzlicher Ausgleich zu den Unterhaltslasten der Eltern und ist daher als arbeitgeberseitige "Sozialleistung" zu qualifizieren. Ob die Aliquotierung bereits aufgrund der Art bzw. des Charakters der Leistung unzulässig sein könnte, wird nun vom EuGH geprüft.

Für Unternehmer erscheint die Verpflichtung zur vollen Zulagenzahlung für Teilzeitbeschäftigte, die bloß in einem zeitlich - allenfalls massiv - verminderten Umfang für das Unternehmen tätig werden, jedenfalls ungerecht. Ebenfalls ist an die Benachteiligung jener Arbeitgeber zu denken, die mehrere Arbeitnehmer in Teilzeit beschäftigen. Wettbewerbsverzerrungen wären damit Tür und Tor geöffnet.

Aus Sicht des Arbeitgebers fällt auch die Erhöhung der Entgeltverpflichtungen gegenüber teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ins Gewicht, sodass Teilzeitbeschäftigung in weiterer Folge für Arbeitgeber stark an Attraktivität verlieren würde. Davon abgesehen widerspricht die ungekürzte Zahlungspflicht für Teilzeitbeschäftigte dem Willen der Kollektivvertragsparteien.

Darüber hinaus könnte die Gewährung der vollen Zulage auch als Begünstigung von Teilzeitbeschäftigten beurteilt werden. Teilzeitbeschäftigten, die bei mehr als einem dem Kollektivvertrag unterliegenden Arbeitgeber beschäftigt sind, würde die Zulage mangels Aliquotierung für jedes Kind mehrfach zustehen. Eine Begünstigung könnte auch darin gesehen werden, dass die Kinderzulage als Beitrag zu den Unterhaltslasten auch Betreuungskosten ausgleichen soll, die bei Teilzeitbeschäftigten aufgrund der verminderten Arbeitszeit jedoch regelmäßig geringer ausfallen.

Gänzlich konträr stellt sich die Situation aus Sicht der Arbeitnehmer dar: Die Aliquotierung soll gerade jene finanziellen Nachteile ausgleichen, die aus einer Teilzeitbeschäftigung resultieren. Darüber hinaus steht der Kinderzulage keine Leistung für den Arbeitgeber gegenüber, sodass hier argumentiert werden kann, dass eine anteilige Auszahlung ungerechtfertigt ist und jeder Mitarbeiter gleich zu behandeln ist.

Die Entscheidung des EuGH darf also mit Spannung erwartet werden. Verstößt die Aliquotierung tatsächlich gegen das Diskriminierungsverbot, wäre womöglich nicht nur der diesbezügliche Teil der Bestimmung, sondern die gesamte Vorschrift, nichtig. Das unbefriedigende Ergebnis: Die Kinderzulage fiele dann sowohl für Vollzeit- als auch für Teilzeitbeschäftigte gänzlich weg. (Stephan Nitzl, DER STANDARD, 13.3.2013)