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Wahlkampf auf vatikanisch: Kardinäle beim Sondieren der Mehrheitsverhältnisse.

Foto: AP/Tarantino

Vor dem Dienstagnachmittag beginnenden Konklave herrscht in Rom nur in einem Punkt Gewissheit: In den ersten zwei Wahlgängen wird keine Entscheidung fallen - diese Durchgänge dienen lediglich einem ersten Kräftemessen. Einen deutlichen Favoriten, der wie beim letzten Konklave 2008 rasch siegen könnte, gibt es diesmal nicht.

Erst ab dem dritten Wahlgang dürften sich die Stimmen auf weniger Kandidaten konzentrieren. Laut Vatikan-Experten könnte der Mailänder Erzbischof Angelo Scola in den ersten Wahlgängen rund 35 Stimmen erreichen - knapp die Hälfte der für die Papstwahl erforderlichen 77. Seinem brasilianischen Gegenspieler Pedro Odilo Scherer, ein Kandidat der römischen Kurie, billigen Experten ungefähr 25 Stimmen zu.

Auch der New Yorker Erzbischof Timothy Dolan könnte in den ersten Wahlgängen ein gewichtiges Wort mitreden. Sollte nach der vierten Runde keiner der drei eine Mehrheit erreichen, könnte die Stunde der Außenseiter schlagen: Der Pariser Erzbischof André Vingt-Trois vertritt die Überzeugung, es gebe "nicht mehr als ein halbes Dutzend aussichtsreiche Kandidaten."

Am Montag trafen sich die Kardinäle zur letzten Kongregation vor dem Konklave. Der Vorsitzende des Päpstlichen Rates für Migranten, Antonio Maria Veglió sprach von einer "Atmosphäre großer Brüderlichkeit und Harmonie". Es habe gute Diskussionen über kontroverse Themen, wie eine Reform der Kurie, gegeben. Ähnlich äußerte sich Erzbischof Christoph Schönborn, der die "große Offenheit der Diskussionen" lobte: "Dass auch Fehler und Versagen angesprochen wurden, machen mich persönlich zuversichtlich für das Konklave. Selten habe ich in den vielen Jahren im Dienst der Weltkirche und seit 15 Jahren als Kardinal so viel Ehrlichkeit, Klarheit, Weite, Wohlwollen und Zuversicht erlebt wie in den letzten Tagen." Nach seinen Worten seien Herausforderungen und Hoffnungszeichen der Weltkirche "überdeutlich geworden". Er nannte etwa die Bedrängnis und Verfolgung von Katholiken weltweit, die "religiöse Sprachlosigkeit" und "geistige Sattheit" inmitten von materiellem Überfluss und die Bedrohung von Lebensräumen und vieler Menschen durch verschwenderischen Lebensstil.

Schönborn: Historische Wahl

Der Amtsverzicht Joseph Ratzingers mache dieses Konklave in der Kirchengeschichte einzigartig. Es könne "schon jetzt mit Fug und Recht als historisch bezeichnet werden", so Schönborn.

Ab Mittwoch werden die in der Sixtinischen Kapelle hermetisch abgeschirmten Kardinäle am Vormittag und Nachmittag je zwei Wahlgänge absolvieren, deren Ergebnisse um 12 und um 19 Uhr erwartet werden. Nach erfolgter Wahl wird der Franzose Jean Louis Pierre Tauran als Protodiakon das "Habemus Papam" vor dem Petersdom verkünden. (Gerhard Mumelter, DER STANDARD, 12.3.2013)