Der Modulare Querbaukasten, kurz MQB, von Volkswagen. Sorgt quer durchs Konzern-Angebot für viele Gleichteile unterm Blech. Außen ist man um Differenzierung bemüht.

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Unterschiedliche Motoren aber auch alternative Antriebssysteme für eine Plattform: Auch so ein Vorteil von schlauer Gleichmacherei.

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Konzentrierte Vereinheitlichung am Beispiel eines Trägers für den Armaturenblock bei unterschiedlichen Modellen.

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Das Klagen darüber, dass die Autos immer weniger unterscheidbar wären, dass sie alle mehr und mehr gleich aussähen, dauert nun schon annähernd seit Erfindung des Automobils an. Und es stimmt in einem gewissen Sinn ja auch. Da die beiden obersten Parameter für den Markterfolg eines Automobils, nämlich die wichtigsten Kundenwünsche und die technischen Möglichkeiten zur Umsetzung, zu bestimmten Zeiten immer gleich sind, sehen sich die Autos auch immer ähnlich.

Modegimmicks jenseits rationaler Forderungen weichen diesen Trend auch nicht auf, sie verstärken ihn eher noch. Löst man nun die Zeitachse auf und vermischt die Epochen, kann man rasch zu dem Schluss kommen, früher wären die Autos schöner und die Autowelt wäre bunter gewesen.

Neu entfachte Diskussion

Die Globalisierung des Automobilgeschäfts, die ja jetzt gerade erst so richtig beginnt, bringt neuen Drall in die Diskussion. Es war schon schwierig genug, die jeweils passenden Autos für Amerikaner, Japaner und Europäer zu bauen. Doch jetzt wollen die Chinesen, die Inder und die Südamerikaner ebenso aufs Automobil aufspringen - und wenn Putin die Einnahmen aus den Rohstoffen besser übers Land verteilt, auch noch die Russen. Den bisher einzigen Autoläufern dieser Länder, den Eliten, genügte es, wenn der Wagen groß, stark und wenn möglich mit Stern oder Propeller versehen war.

Doch jetzt wird es spannend. Der Autohersteller möchte so viele gleiche Autos wie möglich bauen, er kann dann seine Produkte über den sogenannten Skaleneffekt auch am billigsten anbieten, kann für weniger Geld mehr Schnickschnack einbauen und seinen Eigentümern noch höhere Summen überweisen. Nur leider: Der Nachbar will immer ein besseres, ein schöneres, ein schnelleres, vielleicht auch noch günstigeres sparsameres Auto als sein anderer Nachbar.

Immer neue Kategorien

Die Herausforderung für einen erfolgreichen Autohersteller heißt also, möglichst viele verschiedene Modelle aus möglichst wenigen gleichen Teilen zu bauen. Wir beobachten ja schon längere Zeit, dass sich die Modellpaletten der Hersteller immer weiter aufsplittern.

Genügte bis vor wenigen Jahren noch ein Kleinwagen, ein Kompaktwagen, eine Limousine, ein Kombi und ein Sportmodell, um ein volles Sortiment anzubieten, müssen mittlerweile immer neue Fahrzeugkategorien und Größenordnungen gleichzeitig bedient werden, Stichworte Vans und SUVs. Das hat weniger damit zu tun, dass immer mehr Käufer immer wählerischer werden - das waren sie früher auch schon -, durch Computerhilfe und Automatisierung bei gleichzeitiger Flexibilisierung der Produktion ist es aber jetzt erst technisch möglich, auf Kundenwünsche detaillierter einzugehen. Wer da nicht mitzieht, hat schon verloren.

Größtmögliche optische Differenzierung

Plattformstrategie war gestern, Baukastenstrategie ist heute, zumindest sieht man das bei Volkswagen so. Die Deutschen möchten unbedingt größter Autohersteller der Welt werden und Toyota und General Motors den Auspuff zeigen. Deshalb sind sie schon seit Jahren dabei, ein Baukastensystem zu entwickeln, um aus möglichst vielen gleichen Teilen möglichst viele unterschiedliche Autos hervorzubringen, auf dass sich ein VW, ein Skoda, ein Seat und vor allem ein Audi nicht nur durch unterschiedliche Firmenlogos unterscheiden. Und vor allem eines: Die Autos dürfen trotz aller Gleichmacherei keinesfalls wie aus Lego aussehen.

Mit den Begriffen modularer Querbaukasten und modularer Längsbaukasten will der Volkswagen-Konzern die Automobilwelt revolutionieren. Nur leider: Schon in dem sperrigen Begriff stecken alle Probleme, die durch zu viel Voraus- und Wenn-und-Aber-Denken entstehen. Dabei klingt es wirklich beeindruckend: Durch Standardisierung der wichtigsten Abmessungen eines Automobils können auf der ganzen Welt in den vielen Werken des Herstellers auf lauter gleichen Produktionsanlagen aus lauter gleichen Teilen lauter unterschiedliche Fahrzeuge gebaut werden.

Ein Effekt ist noch kein Charakter

Es mag ja gelingen, über die Sitzkiste auf Rädern die unterschiedlichsten Karosserien zu stülpen und mit substanziell wenig Variation große Effekte zu erzielen. Weil: Ein Auto ist immer ein Auto und bleibt ein Auto. Aber ein Effekt ist noch kein Charakter. Und Design ist mehr als nur die möglichst geschickte Umsetzung strenger technischer Vorgaben im kommerziellen Sinn.

Emotionen wollen immer bedient werden. Ein alleweil konstanter Abstand zwischen Vorderachse und Bremspedal begünstigt Letzteres nicht, behindert es aber auch höchstens am Rande.

Enormens Spannungsfeld

Sorge, dass Autos künftig überhaupt nur mehr wie Beilagscheiben rausgestanzt werden, sind jedenfalls unbegründet. Volkswagen liefert mit seiner Modulstrategie sicher einen wichtigen Impuls, die natürlich wachsende innere Reibung eines Weltkonzerns trotz ständiger Steigerung der Stückzahlen zu verringern. Nach außen hin sollte das aber unbedeutend bleiben.

Das wichtigste Argument, warum wir auch weiterhin eher mit mehr als mit weniger Vielfalt beim Autokauf rechnen können, lässt sich auch technisch recht gut darstellen. Standardisierung ist immer notwendig, wenn die Vielfalt an technischen Lösungen die Möglichkeiten zur kommerziellen Umsetzung unterläuft. In diesem Spannungsfeld werden auf neue technische Lösungen auch immer neue Maßnahmen zur Gleichmacherei folgen müssen. 

Einer schert immer aus

Aber auch umgekehrt: Wird alles zu gleich, bricht wieder einer aus, um Erfolg zu haben. Außerdem verläuft der Fortschritt ohnehin immer schneller als seine Umsetzung. Wenn ein Auto auf den Markt kommt, ist es heutzutage sowieso schon veraltet und mit ihm die ganze Art seiner Herstellung.

Und überhaupt: So sehr man stolz ist bei VW auf seine Modulbaukästen, die kleinsten und schnellsten Familienmitglieder müssen sich nicht daran halten. Der Kleinwagen Up! und die Sportwagen von Porsche bis Lamborghini, Audi R8 und die Oberklasselimousine bis hinauf zu Bentley dürfen jetzt schon ihr eigenes Süppchen kochen. (Rudolf Skarics, RONDO, DER STANDARD, 8.3.2013)