Derzeit regieren die Bullen an den Börsen.

Grafik: STANDARD

Wien - Der deutsche Leitindex Dax hat am Freitag zumindest kurz die geradezu magische Marke von 8000 Punkten übersprungen, dann aber eine Atempause eingelegt. Auch wenn der 8er knapp verfehlt wurde, trennen das Frankfurter Aktienbarometer nicht mehr viel von der bei 8151 Punkten liegenden Rekordmarke aus dem Vorkrisenjahr 2007. Gute US-Arbeitsmarktdaten haben die deutsche Leitbörse dabei gestützt.

Noch deutlich besser lief es zum Ende der Woche an der Wiener Börse, an der der ATX knapp 1,5 Prozent im Plus tendierte. Aktien des Feuerfestkonzerns RHI waren nach der Ergebnisvorlage stark gefragt und Tagesgewinner vor Vienna Insurance und Wienerberger. Die New Yorker Börse scheint derzeit ohnehin nur eine Richtung zu kennen. Nachdem der alte Rekordstand des Dow-Jones bereits am Dienstag gefallen war, ging es in dieser Tonart weiter: Auch am Freitag tendierte der Dow fester.

Doch die Rekordjagd an den Aktienmärkten, auch in den USA, verschleiert ein wichtiges Faktum. Die Wertpapiere sind langfristig betrachtet sehr schwach gelaufen. Auf Sicht von zehn Jahren haben Aktien gerade mal ein kleines Plus geschafft, etwa gemessen am US-Leitindex S&P 500, zeigen Daten von Ned Davis Research, einem unabhängigen Analyseunternehmen (siehe Grafik).

"Buy and Hold"

Nach Abzug der Inflation hat sich die US-Leitbörse kaum entwickelt. Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg mussten Investoren zudem über eine Zehn-Jahres-Periode (2000-2010) einen nominalen Verlust hinnehmen. Dem lange gültigen Marketing-Slogan, "Buy and Hold", also Aktien kaufen und liegen lassen, ist nicht mehr gültig. Dass Aktien über eine Haltedauer von sieben Jahren immer einen positiven Ertrag abwerfen, wurde im aktuellen Börsenmarkt widerlegt. Zwar führt Geduld bei Aktionären zu stabileren Erträgen, doch es kommt eben auch auf den Einstiegszeitpunkt an. Im Jahr 2000, zum Höhepunkt des Dot-Com-Booms, waren Aktien teuer.

"Bei Investitionen geht es um die Rückkehr zum langfristigen Durchschnitt", sagt Monika Rosen, Chefanalystin der UniCredit Private Banking. Auf besonders starke Jahre folgen schwächere und umgekehrt. Und langfristig, das zeigen etwa Studien der Londoner Wirtschaftsforscher Elroy Dimson und Paul Marsh, haben Anleger mit Aktien knapp sechs Prozent Rendite erzielen können, nach Inflation.

Haltedauer ausdehnen

Doch weil "Buy and Hold" nicht mehr gilt, sprechen manche Analysten bereits davon, die empfohlene Haltedauer von Aktien auf 15 oder mehr Jahre auszudehnen. "15 Jahre sind nicht einfach langfristig, das ist fast schon eine Generation", sagt Rosen.

Bei einer aktuellen Konferenz zu privaten Pensionsvorsorge in London hat Pablo Antolin, Ökonom bei der OECD, argumentiert, dass die massive Volatilität an den Kapitalmärkten verheerende Auswirkungen auf Pensionisten haben kann. So konnten sich US-Bürger, die Jahr für Jahr fünf Prozent ihres Einkommens in ein Aktien-lastiges Portfolio gelegt haben, je nach Pensionsantritt über ganz unterschiedliche Pensionsniveaus freuen. Wer 2000 in Rente ging, konnte sich über 55 Prozent seines Letztbezugs freuen, zehn Jahre später wären es nur noch etwas mehr als 20 Prozent.

Doch kurzfristig könnten Aktien jetzt wieder ein Renner bleiben, sind Analysten überzeugt. So argumentiert etwa Pierre Gave vom Hongkonger Researchhaus GaveKal, dass Aktienmärkte nach dem Erreichen von Höchstmarken in der Regel noch deutlich weiterwachsen. (Lukas Sustala, DER STANDARD, 9.3.2013)