Die Häuser in der Mattersburger Judengasse, die heute noch so heißt, wurden planmäßig gesprengt.

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Ins Burgenland kam der Naziterror buchstäblich über Nacht und mit ungeheuerlichem Furor, der die jahrhundertealte jüdische Kultur innerhalb eines halben Jahres vernichtete. "Am 1. Mai 1938", schrieb Altkanzler Fred Sinowatz in seinen nur als Typoskript einsehbaren Memoiren, "waren noch 3222 Juden im Burgenland gemeldet". Am 30. April 1939 waren es zwölf, "und in den traditionsreichen Gemeinden", darunter die Siebengemeinden der Esterházy'schen Herrschaft, die Sheva Kehillot, gab es niemanden mehr. Im Burgenland fielen der Anschluss und die Vertreibung zusammen.

Jahrezehntelang wollte das Burgenland nicht daran erinnert werden, und das, obwohl mit Kiryat Mattersdorf das orthodox-burgenländische Erbe von vertriebenen Mattersburgern in Jerusalem am Leben gehalten wurde und wird. Das hat sich mittlerweile entscheidend geändert. Lokale Initiativen, vor allem auch das Jüdische Museum in Eisenstadt - Österreichs erstes nach dem Krieg - versuchen, die jüdische Geschichte als Heimatkunde neu zu interpretieren. Die Erinnerung soll in die Ortszentren gerückt werden.

In Deutschkreutz, das auf Hebräisch Zelem genannt wird, ist das auf Initiative des Wieners Michael Feyer schon geschehen. Eine Skulptur vor dem Wohnhaus des Komponisten Carl Goldmark zeigt auch den Ortsplan des alten Zelem. Am Sonntag gibt es ein geführtes "Geh-Denken" zu den Märztagen 1938 durchs einst jüdische Deutschkreutz. Im Vinatrum, der Gebietsvinothek des Blaufränkischlandes, spielt ab 17 Uhr Karin Filipcic das Ein-Frau-Musical von Georg Kreisler Heute Abend: Lola Blau. Eine Tragikomödie von Vertreibung und Rückkehr und auch von der Unerbittlichkeit des "Wien bleibt Wien".

Am Tag darauf wird in Frauenkirchen der Grundstein gelegt für den " Garten der Erinnerung" an jener Stelle, an der einst die Synagoge stand, ein Grundstück im Eigentum der Israelitischen Kultusgemeinde. Der lokale Verein "Initiative Erinnern Frauenkirchen" hat das seit 2004 projektiert. Herzstück der von Architekt Martin Promintzer entworfenen Anlage sind drei Skulpturen der Künstlerin Dvora Barzilai. Bronzetafeln verewigen die Familiennamen der vertriebenen Frauenkirchner.

An etwas ganz Ähnlichem wird zurzeit in Mattersburg gearbeitet, wo nicht bloß der Friedhof geschleift und der Tempel zerstört wurde, sondern 1940 das gesamte jüdische Viertel planmäßig gesprengt. Nichts mehr, so der Naziwunsch, sollte an die jahrhundertelang prägende und befruchtende Anwesenheit der Juden erinnern. Mehr als das - Erinnern - können all diese Initiativen nicht tun. Aber das können und tun sie immerhin. (wei/DER STANDARD, 9./10. 3. 2013)