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Italienische Demonstranten forderten im Dezember im Protest gegen Sparmaßnahmen die globale Revolution. Von Angeboten moderater Parteien sind sie enttäuscht.

Foto: EPA/MASSIMO PERCOSSI

Es gab Zeiten, in denen Parteien nichts lieber taten, als in der Mitte der politischen Landschaft zu campieren. Obwohl sie sich dort beherzt auf die Zehen traten, wussten doch alle, dass Wahlen in der Mitte zu gewinnen sind. Dieser Tage hat sich die Lage deutlich geändert. Mit moderaten Ansichten und einigermaßen verantwortungsvollen politischen Programmen ist kein Blumentopf mehr zu holen. Stattdessen machen zentrifugale Kräfte das Spiel, die mit aller Macht nach links, nach rechts oder auf der Direttissima in die Antipolitik streben.

Das jüngste Beispiel dafür findet sich in Italien. Dort haben die " Grillini", deren Guru Beppe Grillo für den völligen Systemkollaps eintritt, zu Dutzenden das Parlament geentert. Eine eklatante Radikalisierung des Elektorates ließ sich etwa auch aus der französischen Präsidentenwahl im vergangenen Jahr herauslesen. Linke und Rechte zusammengezählt, lag der Anteil jener, die das etablierte System in Frankreich zerschlagen wollen, bei rund 30 Prozent. Und zwar nicht nur aus schierem Protest, sondern aus Fundamentalopposition gegen Finanzmärkte, EU und Establishment.

Kids und Revolutions-Opas ...

Genauso gehört in den Niederlanden, Belgien und Österreich Populismus beinahe schon zum guten Ton. Der spezifische Unterschied hierzulande: Während der Revolutions-Opa und Milliardär Frank Stronach den rechten Schreihälsen das Wasser abgräbt (siehe Artikel unten), kämpfen unterdessen in Spanien, Portugal und Italien chancenlose Endzwanziger um ein wenig gesellschaftliche Partizipation.

In Deutschland dilettiert derweil die Piratenpartei liquid vor sich hin. Und Euroskeptiker bereiten auf der anderen Seite des ideologischen Spektrums zudem gerade die Gründung einer neuen Partei vor. Diese soll " Alternativen für Deutschland" heißen und will schon zur Bundestagswahl im Herbst antreten. Initiator ist der Ökonom Bernd Lucke, der 33 Jahre CDU-Mitglied war, bevor er 2011 aus Protest gegen die Euro-Rettung aus der Partei austrat. Zu den Unterstützern gehören zudem viele Professoren für Volkswirtschaft, unter anderem auch der ehemalige Tübinger Wirtschaftsprofessor Joachim Starbatty, der schon mehrmals (erfolglos) gegen den Euro beim Bundesverfassungsgericht geklagt hat.

Dieses Problem haben die Briten nicht, ihre Independence Party (Ukip) hat die Tories zuletzt dennoch in einer Nachwahl auf Platz drei verwiesen. Und in den USA verheert die Tea-Party-Bewegung schon seit bald drei Jahren den Kongress und macht jede Form des politischen Kompromisses unmöglich.

... extrem statt moderat

All diese Anti-Parteien-Parteien suchen ihre Legitimation in der Kompromisslosigkeit, im Extremen und nicht im Moderaten, im Systemsturz. Die Frage, zu der sie eine Antwort schuldig bleiben, ist: Kann eine solche Haltung demokratisch sein? (Birgit Baumann aus Berlin, Christoph Prantner/DER STANDARD, 8.3.2013)