Die Heeres-Sitten wird Darabos nicht vermissen: "Das hat mich an die Schulzeit erinnert."
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STANDARD: Werden Sie irgendetwas aus dem Verteidigungsministerium vermissen?

Darabos: Meinen Adjutanten, der mich durch die Untiefen des Protokolls navigiert hat. Oder mein tolles Büro mit den Bildern burgenländischer Maler an der Wand, auch wenn jenes über dem Tisch etwas komisch Filmriss heißt. Entgegen der veröffentlichten Meinung haben mir auch die Besuche bei der Truppe im Ausland Spaß gemacht - und besonders die Flüge mit dem Black-Hawk-Hubschrauber. Da bekommt man eine ganz neue Perspektive aufs Land.

STANDARD: Und das militärische Brimborium?

Darabos: Das weniger. Nie gewöhnt habe ich mich daran, dass alle aufspringen, wenn der Verteidigungsminister auftritt - das hat mich an die Schulzeit erinnert. Ein Blöße habe ich mir als Zivildiener aber nicht gegeben: Ich habe die Dienstgrade so genau studiert, dass ich sie sofort erkenne. Ich bin nicht sicher, ob das jeder im Ministerium schafft.

STANDARD: Sie wirken bis hinauf zum offenen Hemdkragen befreit. Ist Ihr Wechsel eine Erlösung?

Darabos: Nein, weil die neue Aufgabe genauso hart wird. Was mir aber Selbstbewusstsein gibt: Ich habe in meiner ersten Amtszeit als Bundesgeschäftsführer drei Wahlen erfolgreich geschlagen.

STANDARD: Hätten Sie nicht schon vor zwei Jahren abtreten müssen, als Ihnen die SPÖ-Spitze den Kurs pro Berufsheer aufgezwungen hat?

Darabos: Ja, ich war Verfechter der Wehrpflicht. Aber ich habe die Meinung nicht - wie kolportiert - auf Befehl des Wiener Bürgermeisters geändert, sondern mich mit den Erfahrungen in Deutschland und Schweden intensiv auseinandergesetzt. Was ich mir viel eher vorwerfe, ist Nachgiebigkeit: Als ich ins Ressort kam, war die Reformverweigerung förmlich greifbar. Ich war der Störfaktor im Haus - aber nicht, weil ich Zivildiener war, sondern Dinge ändern wollte. Unter dem Motto "Das war schon immer so" haben sich Allianzen gebildet, die beim Verhindern viel Kreativität entwickelt haben - und Feinde hat mir auch meine Nulltoleranz gegen Rechtsextremismus eingehandelt. Ich habe versucht, mich zu arrangieren, das war ein Fehler. Stattdessen hätte ich Reformen wie die Kasernenschließungen stärker und offensiver durchziehen müssen. Das wird auch für meinen Nachfolger nicht einfach.

STANDARD: Sind Sie bei Ihrer Bestellung, als Kanzler Alfred Gusenbauer vom "großen Los" gesprochen hat, nicht aus der Haut gefahren?

Darabos: Laut zu werden hilft zwar bei der Vorbeugung von Magengeschwüren, ist letztlich aber ein Signal der Schwäche. Ich habe dem Alfred damals aber schon gesagt, das ich den Ausspruch überzogen gefunden habe.

STANDARD: Kann jemand, dessen Glaubwürdigkeit so ramponiert ist, nun eine Wahlkampagne leiten, die um Wählervertrauen buhlt?

Darabos: Es ist kein Makel zu polarisieren. Ich habe mich immer über jene Regierungskollegen geärgert, die mit Seitenblick auf Umfragen nie anecken wollten. Außerdem stehe ich nun ja nicht in der ersten Reihe, sondern muss begreifen, wie man eine Wahlkampagne führt - und das kann ich.

STANDARD: Ihre letzte SPÖ-Kampagne ging nach einem Wort des damaligen roten Werbechefs als "Napalm"-Wahlkampf in die Geschichte ein. Setzen Sie wieder auf Dirty Campaigning?

Darabos: Dafür war in der Vergangenheit eher die ÖVP Spezialist. Wir haben kein Dirty Campaigning gemacht, sondern die Eurofighter infrage gestellt ...

STANDARD:  ... um dafür als "Sozialfighter" Geld in Bildung und Soziales zu stecken - was nie passiert ist.

Darabos: Hätte ich den Eurofighter-Vertrag damals gekannt, hätte ich das Wort Sozialfighter nicht verwendet - weil ich dann gesehen hätte, dass wir da nicht aussteigen können.

STANDARD: Pardon, aber der Traum vom Ausstieg war blauäugig.

Darabos: Ich glaube nicht, dass es einen anderen Vertrag in der Republik gibt, der so verkäuferfreundlich ist. Immerhin habe ich 250 Millionen Cash zurückgeholt.

STANDARD: Bekommen wir die Eurofighter noch jemals los?

Darabos: Ich bin kein Hellseher. Vielleicht dann, wenn Korruption nachweisbar ist.

STANDARD: Aber macht das Sinn? Wir bräuchten dann doch neue Abfangjäger.

Darabos: Puh, ich bin mittlerweile skeptisch, ob eine völlige Neuabwicklung möglich ist. Wir haben die Flieger mittlerweile schon lange im Einsatz. Sinnvoller wäre wohl eine Abschlagszahlung.

STANDARD: Wie soll die SPÖ die Wahl gewinnen?

Darabos: Indem sie klarmacht, warum man sie braucht: um etwas für die Klein- und Mittelverdiener weiterzubringen und um eine Privatisierungswelle zu verhindern, wie sie unter Schwarz-Blau schon über Österreich geschwappt ist. Ich will keinen Klassenkampf, aber Umverteilung von oben nach unten - und zwar mit einer Vermögenssteuer. Die ÖVP hat wohl ein bissl Angst vor mir, dass ich das konsequent durchziehe.

STANDARD: Also das gleiche Thema wie bei der letzten Wahl. Werden sich die Wähler da nicht fragen, ob die SPÖ fünf Jahre geschlafen hat?

Darabos: Steter Tropfen höhlt den Stein - siehe Transaktionssteuer, die wir auf europäischer Ebene durchgesetzt haben. Die SPÖ muss diese Themen in den Vordergrund stellen, auch wenn es das Koalitionsklima irritiert. Leider verweigert die ÖVP - etwa in der Bildungspolitik - Reformen und betreibt Klientelpolitik.

STANDARD: Ironie der Geschichte: Ihr Widersacher, Generalstabschef Edmund Entacher, wird wohl die Abschiedsfestrede für Sie halten - ein mulmiges Gefühl?

Darabos: Nein, denn ich bin ja nicht persönlich verfeindet mit ihm. Kann sein, dass die eine oder andere Spitze dabei ist. Aber wir sind beide Profi genug, um das gut über die Bühne zu bringen. (Gerald John, Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 8.3.2013)