Die Pro-Autopolitik von vor 50 Jahren erschwere bis heute das Gegensteuern, meint Wiens "dienstältester Taxler", Paul Weisz.

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Wien - Als Taxifahrer - und somit beruflicher Autonutzer - denkt Paul Weisz in Sachen Verkehrspolitik nicht visionär. Eindeutig, es gebe zu viele Autos in Wien, sagt der 70-Jährige, "aber ich glaub nicht, dass man das bis auf weiteres wird ändern können".

50 Jahre Taxifahrt

Seit 1963, also seit inzwischen 50 Jahren, kutschiert Weisz Fahrgäste durch die Bundeshauptstadt: der "dienstälteste Taxler von Wien", wie er sich selbst bezeichnet. Freiwilliger Autoverzicht sei nur für eine kleine Minderheit eine Option, auch in der staugeplagten Großstadt, meint er. Denn: "Für die Wiener ist ihr Auto eine heilige Kuh" - die nicht zuletzt auch durch die kommunale Verkehrspolitik auf den Altar gehoben worden sei.

Wohlstands- und Statussymbol

Etwa rund um die Eröffnung der ersten Unterführungen - Opern-, Schotten-, Bellaria-, Babenberger- und Albertinapassagen - Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre in der City, die dem motorisierten Verkehr das Tageslicht und den Fußgängern den Untergrund zuwiesen: "Jeder soll ein eigenes Auto haben", habe damals das Credo der Politik gelautet. Ein eigenes Auto als Wohlstands- und Statussymbol, auf das man selbst im engen Stadtverkehr nur verzichten wolle, wenn höhere Gewalt im Spiel sei.

Parkplatzsuche fürs Image

Das habe sich erstmals 1973 gezeigt, als in Reaktion auf die damalige Ölkrise ein autofreier Tag pro Woche dekretiert wurde: "Damals hatte ich einen Nachbarn, der ist jeden Tag um sechs Uhr früh mit dem Auto zum Rathaus in die Arbeit gefahren. An einem autofreien Tag seh ich ihn erst um sieben Uhr in die Bim steigen und frag ihn, warum: 'Heut muss ich keinen Parkplatz suchen', sagt er".

Eine solche dem Irrationalen nahe "Mentalität" herrsche unter den Wienern vielfach noch heute, meint Weisz. Also müssten Beschränkungen für Autos, wenn schon, so zumindest gerecht sein, sodass sie für alle in gleichem Maß gelten.

Fehlende "grünen Welle" macht Taxlern Leben schwer

Etwa, was das Parkpickerl angehe, das bei der Wiener Volksbefragung ein Thema ist: "Gute Idee, aber wenn, dann für ganz Wien", meint der erfahrene Verkehrsteilnehmer. Gleichzeitig aber müssten bei den U-Bahn-Endstationen "riesige Parkplätze" entstehen, wo die "Zuagrasten", die Pendler, "um höchstens zehn Euro pro Monat" ihr Vehikel abstellen könnten. "Mehr zahlen können nur wenige. Die meisten Leut san flach wie das Marchfeld", berichtet Weisz von Fahrgastgesprächen.

In der Stadt wiederum würde laut dem professionellen Fahrer die Einführung einer "grünen Welle" an den Ampeln der Durchzugstraßen verkehrstechnisch vieles verbessern. Deren Fehlen sei für einen Gutteil der Staus in der Großstadt verantwortlich, die auch den Taxlern das Leben schwermachen. "Und, dass viele Wiener Autofahrer solche Schlafwandler sind", sagt Weisz. (Irene Brickner, DER STANDARD, 8.3.2013)