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Eine persönlich gehaltene Annäherung an die leidenschaftlichen Lieder einer Chanteuse: Patricia Kaas singt Edith Piaf, mit der sie schon öfter verglichen wurde.

Foto: apa / EPA/BRITTA PEDERSEN

STANDARD: Was verbindet Sie mit Edith Piaf?

Kaas:  Edith Piaf ist kurz gesagt die Schule der Emotion, des Singens, des Bühnenauftritts. Ich sang La vie en rose oder Sous le ciel de Paris schon mit zehn oder zwölf, das war Freude pur. Später, als ich selbst von Lothringen nach Paris zog und zu singen begann, wurde ich oft mit Piaf verglichen. Ich entdeckte ihr Repertoire und begann zu verstehen, welche Gefühle in ihren Liedern stecken, welche Schwere mitschwingt. Natürlich kann man Piaf mit 20 Jahren singen; aber mit einer gewissen Lebenserfahrung ist es besser - dann kennt man diese Emotionen, hat sie am eigenen Leib erfahren.

STANDARD: Irgendwie schien es naheliegend, dass "die Kaas" einmal Piaf singt ...

Kaas: Das sagen mir viele Leute, sie finden, wir gleichen uns. Aber ich weiß nicht recht ... Auf jeden Fall ist es nicht so, dass ich einfach paar Piaf-Lieder singe. Ich wollte ein umfassendes Bühnenspektakel um ihre Person auf die Bühne bringen. Das war ein ehrgeiziges künstlerisches Projekt. Da spielen die möglichen und oberflächlichen Ähnlichkeiten bald keine Rolle mehr.

STANDARD: Wie würden Sie denn dieses Projekt umschreiben?

Kaas:  Der polnische Dramaturg Abel Korzeniovski, der mir in Hollywood mit dem Soundtrack zu A Single Man aufgefallen war, hat die Lieder modern orchestriert und in ein Dekor mit Straßen, Metrostationen und Hotels von heute übertragen. Es sollte bewusst intimer sein als auf der CD, die ich mit dem Royal Philharmonic Orchestra eingespielt habe. Und abgesehen davon, wäre es schlicht unmöglich, mit einem solchen Ensemble auf Tournee zu gehen. Ich wollte näher beim Publikum sein, und deshalb sind wir nur vier, fünf Personen auf der Bühne. La vie en rose wird zum Beispiel durch einen einzigen Tänzer begleitet, einen Hip-Hop-Tänzer.

STANDARD: Und wie ist es für Sie, auf der Bühne zu stehen und Piaf zu singen?

Kaas:  Gut, sehr gut! Ich wollte ihr eine Hommage widmen, aber auf meine Art, ohne Eins-zu-eins-Kopie. Es ist wichtig, sich selbst treu zu bleiben; und wenn ich die Lieder singe, bin ich ganz in meinem Leben und meiner Emotion.

STANDARD: Haben Sie keine Angst, hinter dem großen Namen zu verschwinden?

Kaas: Nein, denn es geht mir nicht um den Vergleich. Es geht darum, authentisch zu sein - das ist mir wichtig.

STANDARD: "Spielen" Sie auf der Bühne die Piaf?

Kaas:  Nein, so weit gehe ich nicht. Ich will sie nicht imitieren, ich will nicht in sie hineinschlüpfen. Aber ich will auch nicht bloß ihre Lieder wiedergeben. Ich möchte, dass etwas von ihr rüberkommt, ihre Leidenschaft für die Liebe, ihre Lebenslust auch.

STANDARD: Wie haben Sie sich auf das Thema Piaf vorbereitet?

Kaas: Edith Piaf ist gestorben, bevor ich auf die Welt gekommen bin, aber ich habe mit vielen Leuten gesprochen, die sie gekannt hatten - mit Charles Aznavour, Alain Delon. Vor allem habe ich mir alle Piaf-Chansons angehört. Es sind 430! Neben bekannten Titeln wie Milord oder Je ne regrette rien habe ich einige hauptsächlich deshalb ausgewählt, weil sie bühnentauglich sind.

STANDARD: In Ihrer Autobiografie schreiben Sie von Ihren Enttäuschungen mit der Liebe. Sehen Sie die Männer wie Piaf?

Kaas: Wie gesagt, ich suche nicht die Gemeinsamkeiten. Piaf brauchte die Leidenschaft, das Extreme. Sie war eine kleine, starke Frau, aber ich glaube, sie hatte Angst vor der Leere und der Langeweile; deshalb stürzte sie sich ständig in Affären und die großen Gefühle. Wenn sie einmal in eine Beziehung geriet, die einfacher war, unternahm sie alles, um sie zu zerbrechen. Mein Leben ist geordneter, disziplinierter, und ich habe in der Liebe schöne Erfahrungen gemacht.   (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 8.3.2013)