Die Wiener Musikerin Clara Luzia entdeckt auf ihrem neuen, mittlerweile fünften Album die elektrische Gitarre und frisiert mit dieser ihre Songs von Folk Richtung Rock.

Foto: Asinella

Die Gefühligkeit bleibt, aber ihr Nachdruck steigt wohltuend.

Das Plattencover ziert ein Fisch. Und er sieht nicht so aus, als würde er sich noch des Lebens erfreuen. Die Verpackung des neuen Albums von Clara Luzia aber führt in die Irre. Weder Todessehnsucht noch Assoziationen zu kalten Fischen ließen dem Werk der Wiener Songwriterin Gerechtigkeit widerfahren. Schließlich ist sie ja mit einem eher gefühligen Folkrock bekannt geworden, in dem der Appendix "Rock" nur selten aufblitzte.

Stattdessen sorgte eine gepflegte Instrumentierung mit Streichern und Bläsern für Kammer-Pop-Atmosphäre und - zumindest vordergründig - für Gemütlichkeit. Denn man kann sich natürlich auch im Lesesessel am Kaminfeuer der Selbstzerfleischung hingeben. Clara Luzia kann davon ein Lied singen. Oder zwei. Nun ist aber alles ein bisserl anders geworden. Das bringt den Fisch am Cover wieder ins Spiel.

Dessen sterbliche Überreste wurden am Fischmarkt in der US-amerikanischen Hafenstadt Seattle fotografiert. Aha! Da geht mit den Auskennern die Fantasie durch. Seattle! Jimi Hendrix und Nirvana, alles klar - aber nicht.

Derlei Klischees ergäben keinen brauchbaren Zugang ins fünfte Album von Clara Luzia, denn weder nudelt die 34-Jährige neuerdings auf brennenden Gitarren heiße Soli, noch stürzt sie sich im Verlangen nach Unterhaltung halsüber ins Publikum. Niemand kann Clara Luzia ernsthaft Grunge unterstellen.

Aber "We Are Fish" markiert eine Wendung im Werdegang der aus Niederösterreich stammenden Musikerin. Anders als auf den Vorgängeralben verändert sie darauf die Balance von Kammer-Pop, Folk und Rock deutlich zugunsten rauerer Klänge.

Bei Bob Dylan wurde an dieser Stelle der Ruf vom Judas laut, aber darüber muss sich die als Clara Luzia Maria Humpel Geborene keine Sorgen machen. Denn auch wenn sie Schwerpunkte anders setzt, fügt sich alles wunderbar. Mehr noch.

Emotionale Rasanz

Sie umschifft souverän die nach dieser Abzweigung lauernden Fallen und Vorbilder. Sie bemüht nicht das Leidensalphabet einer PJ Harvey, sie verfällt nicht in die abgebrühte Coolness einer Kim Gordon, sie sucht keine späte Karriere als Riot Girl, ihre Stimme kippt nicht theatralisch ins Hysterische. Ja nicht einmal sie selbst wird besonders laut, lediglich die Musik dreht auf.

Das ergibt eine Rasanz, die nicht auf die Emotionalität vergisst: Luzia singt wieder über Dinge, mit denen sie sich lieber nicht rumschlagen würde, ihr Glas ist immer noch halb leer statt halb voll. Deshalb gewöhnen sich ihre Hörerinnen und Hörer auf die Sanfte an die neuen Klänge. Das Album beginnt mit nachdenklichem Klaviergeklimper, dazu gesellen sich Streicher und Luzias helle Stimme mit leichtem Belag. Es dauert etwas, aber dann zieht das Eröffnunglied "With Headlights On" an, und es entwickelt einen Sog, der das Album prägt.

Seinen expressiven Höhepunkt findet das Werk zur Mitte mit "Leave The Light On". An der Stelle muss man sagen dürfen: Clara Luzia rockt! Dennoch schwingt da kein Machismo im derb-rockistischen Sinn mit. Alles was Luzia an Zweifeln und Unglück mit sich herumträgt, wird nach wie vor offen angesprochen. Da legt jemand die Finger in die eigenen Wunden. Nur mischt sich zum Schmerz so etwas wie ein Wille diesen zu überwinden.

Das ergibt ein Album, das nicht bloß wie eine Aneinanderreihung von ein paar Liedern wirkt, sondern mit dem Format selbst spielt und dessen Magie wie nebenbei entfaltet. Und das ohne Theaterblut und Kunstleid. Ehrlicher Rock wird ja sonst meist hemdsärmeligen Figuren wie Bruce Springsteen oder Bon Jovi attestiert. Der Begriff ist also kontaminiert, sonst ließe er sich auf Clara Luzias "We Are Fish" anwenden. Aber ein tolles Album wie dieses bedarf derlei Kategorien ohnehin nicht.  (Karl Fluch, Rondo, DER STANDARD, 8.3.2013)

Hören Sie hier das neue Album von Clara Luzia im Spotify-Stream: