In den 1870er Jahren wurde die Donau in Wien wegen der latenten Hochwassergefahr erstmals reguliert. Anstatt der zahlreichen natürlichen Flussarme wurde das heute bekannte Hauptgerinne geschaffen.

Obwohl der Vorsitzende der Regulierungskommission, Ernst Lauda, mit Orden behängt und sogar in den Ritterstand erhoben wurde, zeigte sich im 20. Jahrhundert, dass weitere Schutzmaßnahmen notwendig waren.

Also wurde 1972 nach mehrjährigen Erhebungen mit den Arbeiten zur Flutprophylaxe begonnen - ihr "Nebenprodukt" war die Donauinsel.


Im Bild: Arbeiten an der Donauinsel noch in ihrem Anfangsstadium

Foto: TARS631

Im Kern bestanden die Sicherungsmaßnahmen aus dem Aushub einer Entlastungsrinne parallel und nordostseitig zum Hauptstrom. Dieses über 200 Meter breite, stehende Gewässer ist heute als Neue Donau bekannt und wird nur im Fall eines Hochwassers geflutet.


Im Bild: Die Insel oberhalb der Nordbrücke im Sommer 1977

Foto: TARS631

Knapp 30 Millionen Kubikmeter Erde wurden zur Schaffung der Neuen Donau im sogenannten Überschwemmungsgebiet der unverbauten Uferabschnitte Transdanubiens ausgehoben. Mit diesem Material wurde die 21,2 Kilometer lange und bis zu 250 Meter breite Donauinsel aufgeschüttet.


Im Bild: Ein Kipplaster lädt Aushubmaterial im Bereich der Nordbrücke ab

Foto: TARS631

Bevor das Großprojekt aber realisiert werden konnte, gab es in Wien hitzige Debatten über die Art der Flutvorsorge. 20 Projekte waren zwischen einem verheerenden Hochwasser im Jahr 1954 und dem Beschluss 1969 eingereicht worden.


 Im Bild: Blick von der Nordbrücke Richtung Westen im Juli 1977

Foto: TARS631

Die städtische Volkspartei legte sich gegen die von SPÖ-Bürgermeister Bruno Marek forcierten Pläne quer. Gemeinsam mit der FPÖ stimmten die Sozialisten im September 1969 für die Umsetzung des Projekts Neue Donau und Donauinsel.


Im Bild: Reste der alten Floridsdorfer Brücke mit Blick Richtung Nordbahnbrücke im Februar 1980

Foto: TARS631

1972 schließlich begann der Bau der Insel. Das erboste die ÖVP dermaßen, dass sie sogar die Koalition, in die sie die SPÖ trotz absoluter Mehrheit geholt hatte, platzen ließ.


Im Bild: Die Ersatzbrücken am Handelskai mit Blick Richtung Süden im März 1981

Foto: TARS631

"Die Stadt ist krank", plakatierte die ÖVP in puncto Donauinsel noch 1974. Als "Spaghettiinsel", für die sinnlos Geld versenkt worden wäre, verspotteten die Stadtschwarzen das Projekt.


Im Bild: März 1981; die Ersatzbrücke für die Straßenbahn im Bereich der 1976 eingestürzten und wiedererbauten Reichsbrücke

Foto: TARS631

Auch die Medien hatten keine rechte Freude mit dem auf 3,4 Milliarden Schilling veranschlagten Bau und erdachten Spitznamen: "Fadennudel" gehörte noch zu den mehr, "Pissrinne" zu den weniger freundlichen.


Im Bild: Rechts hinten ist jener Teil der Brigittenauer Brücke zu sehen, der im Juli 1981 bereits an seinem vorgesehenen Standort montiert wurde. Die noch zu verbauenden Tragwerke befinden links im Bild.

Foto: TARS631

Kritiker gab es aber auch innerhalb der SPÖ. Finanzstadtrat Franz Mayr hatte Zweifel, dass die Donauinsel als das angestrebte Naherholungsgebiet tatsächlich die Wiener Bevölkerung anziehen könnte.


Im Bild: Im Jänner 1983 werden die Ersatzbrücken wieder demontiert und ihre Tragwerke mit Schiffskränen zur Zwischenlagerung auf die Donauinsel gesetzt

Foto: TARS631

Mayrs Skepsis entpuppte sich als Fehlschluss. Noch während des Baus entdeckten die Städter das frisch geschaffene Ufer der Neuen Donau als alltagstauglichen Badestrand.


Im Bild: Ein Blick von der Reichsbrücke auf das Kaisermühlner Ufer des Entlastungsgerinnes im Sommer 1983

Foto: TARS631

Anfang der 1980er Jahre wurden auch erste Abschnitte auf der Insel selbst für die Öffentlichkeit freigegeben, an den restlichen Teilen wurde währenddessen noch gewerkt. Für die Menschen entstand ein Freizeitgebiet, für Tiere und Pflanzen Lebensraum mitten in der Millionenstadt.


Im Bild: Die Bauarbeiten neigen sich ihrem Ende zu. Stattliche Bäume wurden bereits auf die Insel verpflanzt.

Foto: TARS631

Die landschaftsgestalterischen Maßnahmen dies- wie jenseits der bereits rege frequentierten Insel blieben sogar hinter der tatsächlichen Nutzung zurück. Erst nach und nach wurden der dünne Streifen und das gegenüberliegende Ufer in Floridsdorf und Donaustadt begrünt, Grillplätze und Restaurants eröffnet und Wasser- wie Landsportstätten geschaffen.


August 1984: Der Blick stromaufwärts im Bereich der Reichsbrücke

Foto: TARS631

An schönen Wochenenden kommen heute bis zu 300.000 Menschen auf die Insel. An einem Wochenende im Jahr drängen sich sogar bis zu drei Millionen Besucher auf ihr: Seit 1984 findet jeden Sommer das Donauinselfest, Europas größtes Freiluftfestival, statt.


Im Bild: Bürgermeister Michael Häupl bei einer Presseveranstaltung anlässlich des Donauinselfestes 1997

Foto: Newald/STANDARD

1988 wurden die letzten Arbeiten an der Insel beendet und die "Fadennudel" auf ganzer Länge zugänglich. Der eigentliche Zweck des Naherholungsgebiets ist heute fast in den Hintergrund gerückt. Der Hochwasserschutz aber hat Wien bereits vor Überschwemmungen bewahrt: Als 2002 der dritthöchste Pegelstand seit dem Jahr 1501 gemessen wurde, richtete der Strom keine nennenswerten Schäden in der Stadt an. (Michael Matzenberger, derStandard.at, 15.3.2013)


Im Bild: Ein von einer Dampflok geführter Zug auf einer Sonderfahrt über die Nordbahnbrücke


Links


Anmerkung

Die Fotos stammen (mit Ausnahme von Bild 13) von tramwayforum.at-Nutzer TARS631, der sie über Wikimedia Commons freundlicherweise der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt.

Foto: TARS631