Vom Nobody zum Minister: Der 44-jährige Gerald Klug bringt ins Verteidigungsministerium Ehrgeiz, aber wenig einschlägige Erfahrung mit.

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Michael Spindelegger hat bereits mehrfach das Regierungsteam der ÖVP umgebildet, jetzt folgt ihm Werner Faymann mit einer kleinen Rochade auf roter Seite.

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Norbert Darabos tritt nicht wie ein Verlierer auf. Grinsend quetscht er sich durch das Knäuel der Kameraleute, die den Weg zum Treffen des SPÖ-Präsidiums versperren. Eineinhalb Stunden später verlässt der Verteidigungsminister die Sitzung entmachtet, aber unverzagt. Dass die Partei gibt und nimmt, hat Darabos verinnerlicht: "Wenn die Zeitungen schreiben, ich sei ein Parteisoldat, dann kann ich das unterstreichen."

Den Befehl zum Abrüsten hat Werner Faymann erteilt. Der SP-Chef zieht Darabos aus dem Verteidigungsressort ab und schickt ihn als Bundesgeschäftsführer in die Parteizentrale. Mit übersiedelt Pressesprecher Stefan Hirsch; er wird neuer Kommunikationschef (siehe Seite drei).

Offiziell ausgelöst hat die Rochade der vakante Posten in der Volksanwaltschaft, auf den der bisherige Geschäftsführer Günther Kräuter wechselt. Doch tatsächlich versucht Faymann, vor der Nationalratswahl Ende September zwei Schwachstellen zu beseitigen. Eine davon ist Darabos, den ein großer Teil der Wählerschaft laut Umfragen keinesfalls für den guten Minister hält, als den ihn der Kanzler zum Abschied pries. Spätestens seit der Ex-Zivildiener den von der Parteispitze oktroyierten Schwenk vom Freund zum Feind der Wehrpflicht entgegen seiner bisherigen Überzeugung mittrug, ist die Glaubwürdigkeit im Keller.

Darabos war deshalb designierter Watschenmann der ÖVP für den Wahlkampf. Noch vor der Wahl hätte er eine  Reform jener Wehrpflicht aus dem Boden stampfen sollen, gegen die seine Partei vor der verlorenen Volksbefragung im Jänner kampagnisiert hat. Ein Scheitern war absehbar.

Insofern ist der Ersatzmann geschickt gewählt: Der 44-jährige Gerald Klug ist selbst in politischen Kreisen derart unbekannt, dass er keine Angriffsflächen bietet. Als Fraktionschef der SPÖ im Bundesrat fiel er öffentlich das einzige Mal mit einer Gesetzesinitiative für Gemeindekooperationen auf, als Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates gar nicht. Beim grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz, ebenfalls in dem Beratungsgremium vertreten, hat Klug keinen bleibenden Eindruck hinterlassen: "Ich habe ihn wohl für einen Beamten gehalten."

Keine Schonfrist für Klug

Kein unbeschriebenes Blatt ist der Grazer für seinen "Erfinder" Faymann. Ihm sei Klug nicht nur als Aufsteiger, der neben seinem Job als Dreher ein Jusstudium absolvierte, ins Auge gestochen, sondern auch als "politischer Manager". Diese Qualität solle der Neo-Minister bei der Heeresreform ausspielen, erwartet der Kanzler: Die ersten Schritte müssten noch vor der Wahl erfolgen. Kommentar der ÖVP: Schonfrist für den neuen Ressortchef gebe es keine (siehe Reaktionen)

Als zweite Schwachstelle hat Faymann die Parteizentrale ausgemacht, wo das alles andere als harmonische Duo Laura Rudas und Günther Kräuter auf eine bescheidene Bilanz zurückblickt. Ganz anders Darabos, der vor seinem Wechsel ins Ministeramt von 2003 bis 2006 bereits einmal Bundesgeschäftführer war – und dabei drei denkwürdige Wahlsiege gegen viel Gegenwind orchestriert hat (siehe Seite drei). "Ich habe mir den Besten gesucht", glaubt Faymann deshalb und ernennt Darabos zum alleinigen Wahlkampfleiter: "Das Kommando kann nur einer führen."

Sinnhaftigkeit der Rochaden ist in der SPÖ weitgehend unumstriten – der Zeitpunkt hingegen nicht. Faymann rücke mit dem Umbau den Kärntner Wahltriumpf vom Wochenende in den Hintergrund, glauben manche. "Da regieren wir erstmals fünf Bundesländer", mosert ein Genosse, "doch die Schlagzeilen machen wir mit einem Köpferollen, als wären wir die Verlierer."

Der Ministerwechsel ist mit einer protokollarischen Delikatesse verbunden: Üblicherweise tritt eine Kompanie des Gardebataillons in der Rossauer Kaserne, dem Amtssitz des Ministers, an. Die Aufgabe der Festrede dürfte justament General Edmund Entacher zufallen, der sich mit seinem Eintreten für die Wehrpflicht gegen die Linie von SPÖ und Krone gestellt hat. Ob er schon eine Rede vorbereitet hat? "Nein", sagt Entacher, "aber mir würden sicher passende Worte einfallen."

Nachfolger Klug werde ein reformbereites Heer vorfinden, sagt Generalleutnant Franz Reisz ner, Kommandant der Streitkräfte, zum  Standard: "Die österreichische Politik neigt dazu, die Bedeutung des Bundesheeres zu unterschätzen. Gerade ein unbekannter Politiker kann die Chance nutzen, sich mit der im Ministerium konzentrierten Kompetenz zu profilieren." Der SP-nahe Reiszner weist darauf hin, dass  in Deutschland Kapazunder wie Franz Josef Strauß und Helmut Schmidt am Beginn ihrer Karriere Verteidigungsminister waren.

Wie sich Klug ins Amt einlebt, wird auch von seiner Umgebung abhängen. Karl Schmidseder, der für Darabos (erfolglos) für ein Berufsheer gestritten hat, gilt als  Kandidat für die Schlüsselfunktion des Kabinettschefs. Als Generalstabsoffizier würde er nach mehreren Zivilisten in dieser Funktion auch beim Offizierskorps gut ankommen.  (Gerald John, Conrad Seidl, DER STANDARD, 6.3.2013)