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Das Rauchen von Heroin soll in Norwegen dem Spritzen gleichgestellt werden und in den Konsumräumen gestattet werden.

Foto: AP Photo/Musadeq Sadeq

Oslo - In Norwegen sterben jedes Jahr mehr Menschen durch eine Überdosis als durch Verkehrsunfälle. Im Jahr 2011 starben 262 Menschen an einer Überdosis. Davon waren rund 30 Prozent Heroinfälle. Im gleichen Zeitraum gab es 168 Verkehrstote. Damit liege das Land mit seinen nur knapp fünf Millionen Einwohnern an der Spitze Europas, heißt es beim norwegischen Institut für Rauschmittelforschung. Zum Vergleich: In Deutschland mit seinen 81,9 Millionen Einwohnern starben 2011 986 Menschen an einer Überdosis, in Österreich (8,4 Millionen Einwohner) 177.

Nun will die norwegische Regierung handeln. Der Gesundheitsminister Jonas Gahr Stoere hat vorgeschlagen, die Inhalation von Heroin zu entkriminalisieren. "Wir sollten den Leuten erlauben, Heroin zu rauchen, weil Spritzen gefährlicher sind", sagte der Sozialdemokrat. Die Anzahl tödlicher Überdosen sei "beschämend für Norwegen". Es gehe nicht darum, Heroin zu legalisieren. Es gehe aber darum, "realistisch" zu sein, so der Minister in der Tageszeitung Dagsavisen.

Rauchen soll Spritzen gleichgestellt werden

In Norwegen wird das Spritzen von Heroin zwar noch immer grundsätzlich als illegal eingestuft, aber toleriert. So werden in der Hauptstadt Oslo bereits kommunale Konsumräume angeboten, damit Abhängige sich ihren Schuss unter besseren hygienischen Bedingungen und von 'medizinischem Notfallpersonal überwacht setzen können.

Das Rauchen von Heroin soll nun dem Spritzen gleichgestellt werden und in den Konsumräumen gestattet werden. Wenn das Parlament dem Plan zustimmt, könnte das Heroinrauchen in Norwegen 2014 ermöglicht werden.

Meinung unter Abhängigen geteilt

Im Rauschmittelforschungszentrum Sirus wird die Regierungsinitiative grundsätzlich begrüßt. "Es ist ja paradox, dass man Heroin spritzen, aber nicht rauchen darf, obwohl Letzteres weniger gefährlich ist", sagte Sirus-Forschungsleiterin Astrid Skretting im Dagsavisen. Allerdings sei die Injektionskultur bei den Süchtigen so tief verankert, dass es nicht sicher sei, ob eine Entkriminalisierung des Rauchens zu einer Verhaltensänderung führen wird.

Bei den Drogenabhängigen selbst ist die Meinung geteilt. Es sei ja ein Unding, dass man in den Fixerstuben nicht auch mal einfach das Zeug rauchen könne, so ein Heroinabhängiger in Oslo gegenüber dem öffentlich rechtlichen Rundfunks NRK. "Es werden auf jeden Fall beim Rauchen weniger sterben als mit der Nadel."

Nadel "hat dich am Haken"

Doch eine weibliche Abhängige, die Gratiszeitungen verteilt, lehnt die Entkriminalisierung ab: "Es ist unglaublich schwierig, aus dem schweren Missbrauch rauszukommen. Deshalb sollte es so schwierig wie möglich sein hineinzugelangen", sagt sie gegenüber NRK. Auch Petter, ebenfalls ein Heroinabhängiger, sieht das so. "Wenn du einmal an der Nadel bist, hat sie dich genauso am Haken wie das Dope selbst." Er glaubt nicht, wieder auf das Rauchen von Heroin umsteigen zu können. Schließlich wirke Heroin stärker, wenn man es sich spritze.

Auch die Opposition lehnt den Vorstoß ab. "Ich bin frustriert, dass der Gesundheitsminister vorschlägt, man solle mit Drogenabhängigen experimentieren. Wir sollten lieber den zweitausend Abhängigen helfen, die auf einen Behandlungsplatz warten", sagte Bent Höie, gesundheitspolitischer Sprecher der konservativen Oppositionspartei Höyre. "Norwegische Heroinabhängige sitzen zu Hause und spritzen sich ihren Stoff. Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie in ein kommunales Raucherzimmer gehen", sagt der Oppositionspolitiker.

Der sozialliberalen Partei Venstre geht der Vorschlag hingegen nicht weit genug. Schwerstabhängige müssten Heroin unter ärztlicher Anleitung verschrieben bekommen, so deren Forderung.

In Norwegen gibt es rund 10.000 Heroinkonsumenten. Die Zahl der Rauschgifttoten ist 2011 im Vergleich zum Vorjahr um knapp ein Fünftel gesunken. (André Anwar, DER STANDARD, 6.3.2013)