Anthony Sullivan war diese Woche auf Einladung des Forum Journalismus und Medien (FJUM) anlässlich dessen Master-Programm "International Media Innovation Management" in Wien.

Foto: MHW

Immer mehr mobile User greifen bereits frühmorgens zum Smartphone oder Tablet, um Nachrichten zu konsumieren. Dabei geht es mehr um die Formate als "um das bloße Nachrichtenhaben", erklärt Anthony Sullivan. Der Produktmanager Online & Mobile bei der Tageszeitung "The Guardian" spricht im Interview mit derStandard.at über die Senkung der Seitenladezeit auf zwei Sekunden und mobilen E-Commerce.

derStandard.at: "The Guardian" gibt an, dass zu Stoßzeiten bereits ein Drittel seiner Zugriffe von mobilen Geräten kommt.

Sullivan: Das stimmt, wobei gesagt werden muss, dass vor allem die Zugriffe über Tablets im vergangenen Jahr überdurchschnittlich gewachsen sind. Das zeigt uns, dass sich der Nachrichtenkonsum zunehmend auf diese Geräte verlagert, und ist für uns Contentprovider eine gute Nachricht. Auf Tablets haben wir mehr Präsentationsfläche, und die Leser nehmen sich mehr Zeit.

derStandard.at: Sie haben vor kurzem die Geschwindigkeit Ihrer mobilen Applikationen erhöht. Wie haben Sie das angestellt?

Sullivan: Wir haben eine komplett neue Infrastruktur geschaffen. Früher haben wir unseren Content an einen Drittanbieter geschickt, der hat ihn formatiert und dann an die User ausgeliefert. Jetzt verschicken wir alles direkt und konnten damit unsere Ladezeit auf zwei Sekunden senken.

derStandard.at: Gilt das auch für Videos?

Sullivan: Wir arbeiten mit einem Content-based Network, das abhängig vom Standort ausliefert. Wir haben noch nicht lange Videos in unserem mobilen Angebot, und trotzdem passiert es, dass zeitweise die Zugriffe auf Videos die auf Textbeiträge übersteigen.

derStandard.at: Was ist der Auslöser? Das Thema, die Tageszeit?

Sullivan: Das ist abhängig davon, wo das Video beworben wird. Es hat viel mit der Dynamik sozialer Netzwerke und ihrer Viralität zu tun. Denn Tatsache ist, dass man Videos nur schwer auf der Titelseite featuren kann, weshalb es eine Empfehlung braucht, die die Nutzung in Gang bringt.

derStandard.at: Der "Guardian" setzt neben den nativen Applikationen für iOS und Android auch auf Responsive Design. Rentiert sich der Aufwand?

Sullivan: Die nativen Applikationen haben zwar weniger Leser, aber die Nutzerbindung ist dort zehnmal so hoch. Außerdem kann man die Nachrichten den eigenen Vorlieben anpassen. Seit vier Wochen verschicken wir auch Push-Benachrichtigungen, was die Zugriffe um 14 Prozent steigen hat lassen. Auch wenn der User die Nachricht auf seinem Bildschirm nicht anklickt, erinnert es ihn doch daran, dass er den "Guardian" am Telefon hat.

derStandard.at: Was planen Sie für Ihre iPad-Applikation?

Sullivan: Wir probieren derzeit mit der New Yorker Agentur Code and Theory drei verschiedene Konzepte aus. Diese Leute haben unsere Aufmerksamkeit durch sehr schöne Designarbeit und ein anspruchsvolles Verständnis von Storytelling auf sich gezogen. Das Endprodukt wird auf das internationale Publikum ausgerichtet sein und soll noch 2013 präsentiert werden.

derStandard.at: Gibt es auch noch andere Anknüpfungspunkte, um Leser auf globaler Ebenezu erreichen?

Sullivan: Wir nutzen Aggregatoren wie Flipboard. Um unseren Content dort einzuspeisen, haben wir genau fünf Minuten gebraucht. Dort lesen uns monatlich eine Million User, die Zahlen sind im letzten Quartal stark gestiegen. Wir sind auch auf Google Currents aktiv.

derStandard.at: Denken Sie daran, E-Commerce in Mobile zu integrieren?

Sullivan: Wir haben jetzt schon viel E-Commerce auf unserer Website und überlegen gerade, welche Geschäftsmodelle sich auf unsere mobilen Applikationen übertragen lassen und für den Leser einen Mehrwert bieten. Wir denken beispielweise an den Reise-Teil oder an Filme.

derStandard.at: Die Integration von E-Commerce in digitale Zeitungen könnte vieles bequemer machen.

Sullivan: Das sehe ich auch so. Insgesamt wird durch mobile Geräte vieles einfacher. Gerade gestern habe ich den Wien-Stadtführer des "Guardian" genutzt und wieder einmal gemerkt, wie wichtig es ist, dass Adressen und Telefonnummern stimmen und dadurch alles erleichtert wird.

derStandard.at: Auch ein Redesign ihrer britischen Website ist im Gespräch. Planen Sie, den Nachrichtenfluss an die mobilen Nachrichtenbedürfnisse morgendlicher Leser anzupassen?

Sullivan: Wir sehen ganz klar in allen Analysen, dass mobile User in den frühen Morgenstunden zu ihren Geräten greifen und sich informieren. Wir werden also in den nächsten Monaten herausfinden müssen, wie wir auf dieses Bedürfnis reagieren. Das Problem ist ja, dass sich die Bedürfnisse der Leserschaft je nach Plattform stark voneinander unterscheiden.

derStandard.at: Manche Zeitungen unterhalten Teams in Hongkong, um einen 24-stündigen Nachrichtenfluss zu garantieren.

Sullivan: Das wäre für uns kein Problem, denn wir haben einen amerikanischen und neuerdings auch einen australischen Ableger. Aber ich glaube, dass es mehr um die Formate der Nachrichten geht und nicht um das bloße Nachrichtenhaben. Wir müssen uns die Frage stellen: Wie kann die Kurzform von Nachrichten für die begrenzte Zeit am Morgen aussehen?

derStandard.at: Welche Weiterentwicklung haben Sie für Ihre mobile Werbung geplant?

Sullivan: Wir wissen, dass Bannerwerbung in Mobile nicht funktioniert. Also arbeiten wir an In-Stream-Lösungen und Standardformaten, die man an Inhalte anpassen und ins Storytelling einfließen lassen kann. Das ist einerseits toll, weil diese Anzeigen viel besser funktionieren, andererseits muss man das auch erst einmal produzieren.

Im zweiten Ansatz darf man nicht vergessen, dass das Telefon zu einer Art Erweiterung des Körpers geworden ist, und auch darin liegt viel Werbepotenzial, das es in keinem andern Medium gibt. Wir arbeiten auf jeden Fall an der nächsten Generation unserer Applikationen, und diese Entwicklung wird auch auf unsere Desktop-Version rückwirken. (Tatjana Rauth, derStandard.at, 6.3.2013)