Wien - Die Geschäftsberichte der Deutschen Bank laden zum Schmökern ein. Auf mehr als 500 Seiten beschreibt das Kreditinstitut von Jahr zu Jahr, wie sich Gewinn, Umsatz und Mitarbeiterzahlen entwickelt haben. Wer allerdings länderspezifische Informationen sucht, wird enttäuscht: Die Deutsche Bank meldet ihr Jahresergebnis nur für den Konzern und schlüsselt die Unternehmenskennzahlen nur für ausgewählte Regionen (Europa, Asien) auf. Keine Informationen gibt es über die Geschäfte der Tochtergesellschaften, die von Luxemburg bis Schanghai aktiv sind.

Das soll sich dank einer Initiative des EU-Parlaments bald ändern: Im Zuge der Einigung auf die Grundzüge der Bankenreform, die unter dem Namen "Basel III" bekannt ist, haben die Parlamentarier vergangene Woche auch ein Steuertransparenzpaket für die Bankenindustrie beschlossen.

Ab 2015 müssen alle Finanzinstitute in ihren Jahresberichten aufschlüsseln, in welchen Ländern sie welche Gewinne und Verluste erwirtschaften, wie viel Steuern sie zahlen, Mitarbeiter sie beschäftigen und welche staatlichen Subventionen sie erhalten.

Der Jubel über den Entscheid war vor allem bei Nichtregierungsorganisationen und bei den Grünen im Europaparlament groß.

"Durch diesen wichtigen Beschluss können in Zukunft den Steuervermeidungsstricks der international tätigen Banken Grenzen gesetzt werden", meinte David Walch von Attac Österreich. Auch beim renommierten Tax Justice Newtork betonen Experten, dass die Transparenz zu mehr Steuerehrlichkeit führen könnte, etwa indem deutlich wird, wie viel Geld die Institute in einzelnen Steueroasen verdienen.

Infopflicht über Steueroasen

Tatsächlich erlauben die derzeit in der EU gültigen Rechnungsvorschriften (IFRS) Diskretion: So müssen Unternehmen ihren Jahresbericht zwar nach Segmenten (wie Kunden, Handelsgeschäft) ordnen, nicht aber nach geografischen Gesichtspunkten, sagt Dorotea Rebmann vom Beratungsunternehmens PricewaterhouseCoopers (PwC). Dabei ist die Praxis der Banken derzeit völlig unterschiedlich: Während die Deutsche Bank nur globale Zahlen bekanntgibt, sind österreichische Institute wie die Erste und die Raiffeisen Bank International (RBI) transparenter. Sie führen in ihren Geschäftsberichten zumindest für die wichtigsten Märkte in Zentral- und Osteuropa detaillierte Zahlen an. Allerdings sind RBI und Erste auch in Steueroasen wie der Kanalinsel Jersey aktiv, die Erste unterhielt laut dem letzten Geschäftsbericht 2011 auch in der US-Steueroase Delaware eine Tochter - für diese kleineren "Märkte" fehlen Detailergebnisse.

Dabei sind einige Experten skeptisch, wie viel die Transparenz bringt: Rebmann von PwC spricht von einem "populistischen" Schritt, der für Verwirrung sorgen könnte, weil der Steuerabschluss und die Bilanz nicht auf derselben Grundlage beruhen und separat berechnet werden. Im Konzernabschluss und den Länderberichten könnten daher widersprüchliche Zahlen stehen.

Wie schwierig die Umsetzung der Steuertransparenz ist, zeigt, dass sich die EU-Länder eine Hintertür eingebaut haben: Die EU-Kommission wird zunächst anhand von Daten einiger Großbanken prüfen, ob die Offenlegung der Länderergebnisse Wettbewerbsnachteile bringen kann - sofern sie dies bejaht, kann sie eine Abänderung der Meldungsmodalitäten verlangen, was das EU-Parlament aber blockieren kann. (András Szigetvari, DER STANDARD, 5.3.2013)