Der nächste Internationale Frauentag steht vor der Tür, und auch heuer werden wir uns der gleichen Diskussion stellen wie in den Jahren zuvor. Gleichen Lohn für gleiche Arbeit werden Feministinnen fordern. Wir haben freilich Recht damit. Die Frage, die sich mir stellt, ist: Wessen Lohn und wessen Arbeit sind gemeint? Wessen Rechte und welche Frauen werden eigentlich vertreten? Denn Frauen sind keine homogene Gruppe. Die Macht ist unterschiedlich verteilt. Auch unter Frauen. Meine These ist, dass nicht-privilegierte Frauen mit nicht-privilegierten Männern mehr gemeinsam haben, als mit den Frauen aus der sogenannten Oberschicht. Wie sollen wir gemeinsam an einem Strang ziehen, wenn die Kooperationen hinsichtlich gesellschaftlicher Veränderungen schon an der Trennung durch soziale Rollen und Scheinidentitäten im Vorfeld scheitern?

Karriere-Feminismus und Prekariat

Es geht in dem derzeitigen (Medien-)Diskurs in erster Linie um die Rechte jener Frauen, die sich dazu entschlossen haben, Karriere zu machen. Auch das hat seine Berechtigung. Aber in Zeiten des sogenannten Prekariats ist es das Recht der Stärkeren/Mächtigeren. Frauen und Männer mit anderen, abweichenden Lebenskonzepten/Entwürfen haben es aufgrund der Arbeitsideologie schwer. Dazu kommt, dass die Forderungen rund um die Karriere von einem bestimmten Sockel ausgehen, den durchaus nicht alle erreicht haben. Weil eben nicht jede-r über die gleichen Fähigkeiten, Motive, Stärken verfügt.

Recht auf vielfältige Lebensentwürfe

Die materielle Gleichstellung ist die Voraussetzung für den eigenen Entwurf beziehungsweise die Basis für die Freiheit im Sinne der Selbstbestimmung und Mündigkeit. Die Forderung "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" geht davon aus, dass alle Frauen ein eigenes Einkommen haben. Was ja nicht stimmt. Deshalb müsste die Forderung lauten: Ein menschenwürdiges Einkommen für alle. Eine Forderung, die wir von den VertreterInnen des "Bedingungslosen Grundeinkommens für alle" kennen. Deshalb sind vor allem Frauen, die über die Mittel, Bildung und entsprechenden Möglichkeiten verfügen, aufgerufen, sich für die Rechte von Frauen, die von Armut betroffen sind, stark zu machen.

Weiters geht es um die verstärkte Kritik an der sogenannten Arbeitsgesellschaft, um das Recht der Frauen auf vielfältige Lebensstile (im Sinne der freien, bewussten Tätigkeit) durchzusetzen. Diesen allgemein verbreiteten Feminismus, der seine Interessen einseitig auf die Karriere der "Powerfrauen" in einem patriarchalen System richtet, vertrete ich nicht. Dabei handelt es sich, wie gesagt, um eine mediale Inszenierung eines Frauenbildes, das die wohlsituierte Karrierefrau meint. Für sie sei die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Beruf ein Klacks. Was aber verschwiegen wird: Erfolgreiche Karrierefrauen haben meist ein ganzes Heer von Helferinnen und Helfern hinter sich. Im Zentrum steht der Zugriff der Wirtschaft auf das weibliche Arbeitspotenzial. Die Forderung "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" ist ein wichtiger Aspekt, um Gerechtigkeit zu erlangen. Doch es besteht die Gefahr, dass Frauen sich von der Arbeitsideologie vereinnahmen lassen und als Arbeitskräfte vom System ausgebeutet werden.

Materielle Absicherung für alle Menschen

Ich vertrete einen Feminismus, der sich an Frauen und männliche Verbündete hinsichtlich des emanzipatorischen Widerstands richtet und auf Freiheit zielt. Freiheit im Sinne von Bildung und Entfaltung ihrer "sozialen, sinnlichen, intellektuellen, künstlerischen, handwerklichen und technischen Fähigkeiten",wie Jutta Dittfurth schreibt. Das geht weit über die Forderung "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" hinaus. Außerdem: Ein Feminismus ohne weibliche Utopie als Gegenentwurf zur patriarchalen Gesellschaft ist ein leerer Feminismus. Ein wichtiger Schritt ist daher, die Existenz aller Menschen materiell zu sichern - was sich mit einer gerechten Verteilung von Lohnarbeit und einem Bedingungslosen Grundeinkommen für alle verwirklichen ließe - und erst dann können Menschen im Sinne von Mündigkeit, Selbständigkeit und Muße frei sein. (Gerlinde Knaus, dieStandard.at