Die Darstellung des Spielgeschehens erfolgt bei Ingress anhand einer Karte. Im Bild sind blaue (also der Resistance zugehörige) Portale zu sehen. Darum positioniert Resonatoren verschiedener Stärke - und in unterschiedlichem Abstand.

Screenshot: Andreas Proschofsky / derStandard.at

Mit den XMPs werden die Resonatoren angegriffen, erst wenn alle zerstört sind, kann ein Portal übernommen werden.

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Die Detailansicht eines Portals, die zeigt wer dieses als letztes erobert hat, und wie der Status der Resonatoren ist. Vor allem aber können von hier aus Portale gehackt werden, wofür es Resonatoren, Waffen und Shields unterschiedlicher Stärke (abhängig vom Level des Portals) gibt.

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Zudem gibt es bei einem Hack manchmal Schlüssel. Diese sind nötig, um ein Portale miteinander zu verlinken.

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Portale der eigenen Fraktion können nachträglich aufgerüstet (also mit höheren Resonatoren ausgestattet)  werden. Zudem ist es möglich Schilde zum Schutz zu positionieren, auch wenn diese aktuell nur eine sehr begrenzte Wirkung zeigen. Wer drei Portal in einem Dreieck erfolgreich miteinander verlinkt, erzeugt damit ein Feld, das in die globale Statistik der "Mind Units" einbezogen wird.

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Die Ingress-Intel-Seite bietet im Web einen detaillierten Blick auf das aktuelle Spielegeschehen. Hier übrigens in einer mit dem "Total-Conversion"-User-Script angepassten Variante, die noch einmal mehr Informationen bietet als die von Google selbst angebotene Seite.

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Auch näher herangezoomt zeigt sich: Zumindest in der Wiener Innenstadt besteht wahrlich kein Mangel an Portalen, außerhalb des Gürtels wird es dann schon etwas spärlicher.

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Es ist ein Samstag Mittag in der zweiten Februar-Hälfte. Der Ort: Wien. Genauer: Schönbrunn. Ganz genau: Die Gloriette. In der Vornacht hat es heftig geschneit, der Weg ist also alles andere als leicht zu beschreiten. Und doch soll sich hier gleich etwas ereignen, was bei manchen TouristInnen für sichtliche Verwirrung sorgen wird: 15-20 Personen beginnen mehr oder weniger gleichzeitig damit ihre Smartphones und Tablets auszupacken, für Außenstehende unverständliche Abmachungen zu treffen ("Ich nehm Norden", "Ich hab schon wieder keine XMs!") und rund zwei Stunden lang ihre Runden um die Gloriette zu drehen.

Spielprinzip

Der Hintergrund des Spektakels: Eine gemeinsame Aktion der Wiener Enlightened-Fraktion bei Ingress - Googles erstem "Augmented Reality"-Game. Dessen Spielprinzip zu beschreiben ist eigentlich ganz einfach - und auch wieder nicht: Im Grunde handelt es sich um eine Mischung aus Geocaching und - einfachen - Rollenspiel-Elementen. Zwei Fraktionen - "Enlightened" und "Resistance" - rittern darum, Portale, die über die gesamte Welt verstreut platziert wurden, für sich zu gewinnen. Wer die nötigen Schlüssel besitzt, kann in Folge mehrere Portale miteinander verlinken, und so ein Feld erstellen. Die darunter wohnenden Personen werden dann als "Mind Unit" in einer weltweiten Statistik der eigenen Seite gutgeschrieben - natürlich nur so lange bis die andere Fraktion zurückschlägt.

Ablauf

Im Detail ist alles schon etwas komplizierter: Jede Spielerin erhält nach einer kurzen Einführungsmission die Möglichkeit eine der zwei Fraktionen zu wählen. Danach gilt es so schnell wie möglich Items zu sammeln und Action Points (APs) zu machen, um höhere Levels zu erreichen. Gegenstände erhält man vor allem über Hacks eigener oder fremder Portale. Die wichtigsten sind hier "Resonatoren", von denen es acht Stück benötigt, um ein Portal vollständig aufzubauen, und XMPs, also jene Waffen mit denen sich gegnerische Portale von feindlichen Resonatoren befreien lassen. All das gibt es natürlich noch in unterschiedlichen Stärken, die die SpielerInnen je nach ihrem Level (das aktuelle Maximum ist hier 8) einsetzen können.

Ab ins Freie!

Der Clou daran: Portale korrespondieren mit realen Orten, wer diese "hacken" oder gar übernehmen will, muss sich also tatsächlich physisch dorthin begeben. Mit gemütlich vor dem Rechner zurücklehnen und Chips in sich hineinfuttern, kommt man hier also nicht weit. Ein Umstand, der übrigens Google die Unterstellung eingebracht hat, dass Ingress in Wirklichkeit ein ausgeklügeltes Fitness-Programm für Nerds ist, doch das sei nur am Rande erwähnt.

Visualisierung

Gespielt wird mithilfe einer Android-App, die das aktuelle Spielgeschehen auf einer angepassten Google-Maps-Karte darstellt. Je nach aktuellem "Besitzer" sind die Portale blau (Resistance) oder grün (Enlightened) eingefärbt. Neben den eigentlichen Spielelementen wie Hacken, Abfeuern von XMPs oder Linken bietet die App auch einen Chat, in dem man sich einfach mit Mitgliedern der eigenen Fraktion austauschen kann. Zudem wird über eine Art Log laufend darüber informiert, was sich gerade so im eigenen Umfeld tut. In besonders aktiven Ingress-Gegenden (wie Wien es definitiv ist) laufen hier die Nachrichten praktisch ununterbrochen vorbei.

Intel

Dass es etwas schwer ist, mit der Smartphone-Darstellung den Überblick zu bewahren, weiß natürlich auch Google, also gibt es mit der "Ingress Intel"-Seite (nur für freigeschaltene SpielerInnen) eine für den Desktop-Browser gedachte Übersicht. Diese dient vor allem zur strategischen Planung, also etwa um zu schauen, welche Portale verlinkt werden müssen, um ein möglichst großes Feld aufzubauen - und was zuvor noch aus dem Weg geräumt werden muss. Immerhin dürfen sich keine zwei Links kreuzen.

Story

Zu all dem gibt es natürlich auch eine Hintergrundgeschichte, die von Anfang an aber bewusst nebulös gehalten wurde - und sich erst mit der Zeit weiter aufklären soll. Klar ist nur, dass bei einem Experiment im CERN mit der "Exotic Matter" (XM) eine mysteriöse Energiequelle gefunden wurde, die eine gewissen "inspirierenden" Effekt auf Menschen hat. Vereinfacht gesagt, haben sich in Folge zwei Fraktionen gebildet, die sich darüber streiten, ob die XM eine Bedrohung für die Menschheit sind (wie "Resistance" glaubt), oder ob diese einen "Segen" darstellen, der der Menschheit zu neuen Bewusstseinsformen verhelfen wird ("Enlightened"). Wer die Hintergrundgeschichte im Detail nachlesen will, sei auf einen Eintrag bei Quora verwiesen.

Beta

Ingress versteht sich derzeit noch als Beta-Version, und das merken die SpielerInnen schnell: Probleme beim Abschießen von XMPs gibt es laufend, auch das "Hacken" dauert schon mal erheblich länger, als die eigene Geduldsspanne erlauben würde. Die Möglichkeiten Portale zu verteidigen sind noch reichlich rudimentär, zudem gibt es (noch) keinerlei Missionen. Die Portaldichte ist gerade in Wien beinahe schon zu hoch, von bekannten Sehenswürdigkeiten gibt es zahlreiche Dubletten, die das Spielen gerade am Anfang nicht unbedingt einfacher machen. In ländlichen Regionen sind hingegen wiederum kaum bis keine Portale zu finden - auch wenn sich dieser Umstand mit der Zeit bessert, da es Google SpielerInnen ermöglicht, eigene Vorschläge einzureichen.

Rascher Wechsel

Obwohl der Zugang zu Ingress weiterhin nicht öffentlich ist, also eine Einladung voraussetzt, hat sich bereits eine äußerst aktive Community rund um das Spiel gebildet. Portale in besonders umkämpften Regionen wechseln mehrmals täglich die Fraktion, kommuniziert wird längst nicht mehr nur über den spieleinternen Chat sondern über eigene - interne - Foren und Google+-Communities. Dieser hohe Level an Aktivität führt dazu, dass sich SpielerInnen regelmäßig im "Real Life" treffen, wenn sie gerade zufällig am gleichen Portal zu Werke sind.

Kooperativ

Zudem ist dem Spiel ohnehin eine gewisse soziale Komponente immanent: Denn wer es weit bringen will, wird nicht um die Zusammenarbeit mit anderen herumkommen. Nur kleine Portale können im Alleingang aufgebaut werden, ab Level 6 braucht es dann schon zumindest zwei SpielerInnen, für ein Level-8-Portal sogar derer acht. Und natürlich sind es gerade die High-Level-Portale, die bei den "Hacks" die spannendsten Items hergeben.

Kennenlernen

Und natürlich trifft man auch den "Feind" recht schnell mal, wenn dieser zur Verteidigung "seines" Portals heranrauscht - oder um das gerade aufgebaute High-Level-Portal schnell mal wieder platt zu machen, bevor die SpielerInnen zu viele Items aus diesem ziehen können. Im Eigenversuch kann der Tester jedenfalls bestätigen, dass sich Ingress auch in fernen Ländern bestens dazu eignet, schnell mal Einheimische kennen zu lernen - und dabei auch gleich ein bisschen Sightseeing zu machen, immerhin sind die Portale meist mit Sehenswürdigkeiten verbunden.

An den Akku-Packs sollst du sie erkennen

Dem geschulten Auge fällt das Identifizieren von Ingress-SpielerInnen mit der Zeit vergleichsweise einfach, gibt es doch ein paar sichere Erkennungszeichen. Da wäre vor allem das Kabel, das gemeinhin von der Jackentasche zum Smartphone / Tablet führt, und an dessen anderem Ende gemeinhin ein Akku-Pack steckt. Denn wer Ingress mehr als nur mal ausprobieren will, wird um ein solche Batterieerweiterung nicht herumkommen: Die Kombination aus stetig aktiviertem GPS zur Ortsbestimmung und angeschaltetem Bildschirm sorgt dafür, dass jeder Smartphone-Akku in spätestens 2 - 2 ½ Stunden leer ist. Tablets wie das Nexus 7 halten zwar deutlich länger durch, für wirklich intensives Spielen reicht aber auch das nicht.

Privacy

Apropos GPS: Wer grundlegende Bedenken gegen die Weitergabe der eigenen Standortdaten an Google hat, sollte sich von Ingress lieber fernhalten, immerhin ist dies für den Kern des Spiels schlicht notwendig. Zudem fällt aufmerksamen MitspielerInnen schnell mal auf, in welchen Gegenden man öfters unterwegs ist - woraus sich leicht der eigenen Arbeits- oder Wohnort triangulieren lässt.

Motivation

Googles Interesse an Ingress ist sicherlich nicht zuletzt die Verbesserung der eigenen Standortinformationen. Zudem hat man aber schon bei der Vorstellung von Ingress über direkte Monetarisierungsmöglichkeit geplaudert, so ist angedacht einzelne Unternehmen ins Spiel einzubinden, etwa indem ein Ladengeschäft zum Ingress-Portal mutiert. Bisher hat man diese Möglichkeiten allerdings kaum wahrgenommen, bleibt abzuwarten, ob sich das mit der (wahrscheinlich) bevorstehenden Einführung von Missionen ändern wird.

Testfeld

Aber natürlich ist Ingress auch einfach ein Experiment für die Verquickung von realer und virtueller Welt, eine Art spielerisches Erforschen von Augmented Reality". Insofern bleibt abzuwarten, ob es tatsächlich jemals die Beta-Phase verlässt, oder auf Dauer ein Experiment bleiben wird - ob nun für alle zugänglich oder nicht. Google selbst betont dazu nur, dass Ingress zumindest 18 Monate laufen wird. Ob es bis dahin bereits einen Nachfolger geben wird, lässt das Unternehmen aber natürlich offen, naheliegend wäre jedenfalls eine Kombination mit "Google Glass".

Fazit

Auch wenn das Spielprinzip derzeit noch recht einfach gehalten ist, ist es Google mit Ingress gelungen, eine Art Kulthit zu produzieren. Die Kombination von realer und virtueller Welt hat durchaus Suchtpotential, gerade der soziale Zusammenhang führt dazu, dass das Interesse selbst beim Erreichen des derzeit höchsten Spiele-Levels nicht abreißt. Denn auch dann gibt es noch jede Menge zu tun, sei es anderen SpielerInnen der eigenen Fraktion beim "leveln" zu helfen oder auch einfach nur dem gegnerischen Team einen gezielten Strich durch die Rechnung zu machen.

Ausprobieren

Wer an Ingress Interesse hat - und ein aktuelles Android Smartphone/Tablet besitzt - kann eine Einladung auf der Webseite des Niantic Project beantragen. Hier eine Antwort zu erhalten, kann allerdings einige Wochen dauern, schneller geht es meist über einschlägige Communities bei Google+. Vergibt dort doch nicht nur Google Codes, auch die einzelnen Fraktionen versuchen auf diesem Weg gerne mal neue MitstreiterInnen zu gewinnen. (Andreas Proschofsky [sukahiroaki | Enlightened] / derStandard.at, 12.03.13)

tl;dr: Ingress rocks.