Respekt ist möglich: Die israelische Sängerin Yasmin Levy (re.) will mit ihrer arabischstämmigen Partnerin Natacha Atlas auch zwischen den Kulturen vermitteln.

foto: judith burrows

Die eine, die aus Jerusalem stammende Yasmin Levy (37), machte sich in den vergangenen Jahren als wohl bedeutendste junge Interpretin sephardischer Lieder einen Namen. Die andere, die in Brüssel geborene Natacha Atlas (49), ist arabisch-britischer Herkunft und wurde als Sängerin der Londoner Ethno-Elektroniker von Transglobal Underground bekannt, bevor sie eine Solokarriere startete. Im gemeinsamen Interview, das immer wieder in erfrischend offen geführte Diskussionen mündet, tritt zutage, dass selbst bei so kosmopolitisch denkenden Musikerinnen die politische Dimension ihrer Zusammenarbeit diese mitunter überlagert.

STANDARD: Sie haben 2008 begonnen zusammenzuarbeiten. Welche Hoffnungen bzw. Ängste hatten Sie damals?

Levy: Ich habe damals das Album Mano Suave gemacht und wollte ein Duett mit Natacha aufnehmen. Ich erinnere mich, dass sie anfangs befürchtete, vom arabischen Publikum boykottiert zu werden. Ich sagte: "Lass uns die Botschaft von wechselseitigem Respekt rüberbringen, lass uns der Welt zeigen, dass es möglich ist!" Wir haben es durchgezogen, und die Reaktionen waren wunderbar.

STANDARD: Haben sich Ihre Befürchtungen bewahrheitet?

Atlas: Nicht, was die Zusammenarbeit mit Yasmin betrifft. Aber ich war vor etwa zwei Jahren zu einem Konzert nach Israel eingeladen und wurde von arabischer Seite dafür kritisiert, dass ich diese Einladung akzeptierte. Ich sagte ab, nachdem ein arabischer Freund, der Oud-Spieler Mehdi Haddab, dorthin reiste, um ein Konzert in Tel Aviv und eines in Palästina zu geben. Er erzählte mir, er konnte nicht einmal zehn Minuten spielen, bevor er sabotiert wurde. Auf israelischer Seite fiel plötzlich der Strom aus. Auf palästinensischer Seite passierte Ähnliches. Er sagte, es sei sinnlos hinzufahren. Also entschied ich, das Konzert abzusagen, und wurde dafür erneut kritisiert.

Levy: Kann ich etwas anmerken? Ich bin ein bisschen überrascht, was du über die israelische Seite gesagt hast. Denn die Leute, die ich kenne, würden es sehr schätzen, wenn du und andere arabische Künstler und Künstlerinnen nach Israel kämen, sie würden gerne deine Message und deine schöne Stimme hören!

STANDARD: Hatte die Arabische Revolution Auswirkungen auf die Musikszenen der arabischen Welt und den Austausch mit Israel?

Atlas: Die Ägypter sind heute mutiger. Da sind Künstler, Schriftsteller, Menschen, die keine Angst haben, ihre Meinung zu sagen. Es gibt Journalisten wie Bassem Youssef, der eine TV-Sendung namens El Barnameg moderiert. Er kritisiert die Regierung, er kann viele Dinge sagen, die früher zensuriert worden wären. Es gibt eine größere Freiheit der Rede. Auch Musiker können vermehrt die Dinge ansprechen, die sie wollen.

Levy: Auf dem Gebiet der Musik sehe ich allerdings keine neuen Kollaborationen. Aber wir freuen uns in Israel für die Menschen in den arabischen Ländern, wir hoffen, dass sie endlich so leben zu können, wie sie wollen.

STANDARD: 2008 gaben Sie beide dem britischen Magazin "fRoots" ein Interview. Sie, Natacha, sagten damals, dass es für zahlreiche arabische Künstler nicht vorstellbar sei, nicht nur mit israelischen Kollegen zusammenzuarbeiten, sondern auch mit jüdischen - was Yasmin Levy getroffen hat. Hat sich das geändert?

Levy: Als Natacha das im Interview erwähnte, fühlte ich mich sehr schlecht. Nicht wegen ihr, sie verlieh nur der Stimmung in der arabischen Öffentlichkeit Ausdruck. Ich verstehe die Distanziertheit arabischer Künstler in Bezug auf Israel, nicht aber in Bezug auf Juden im Allgemeinen. Das erinnert mich an die Vergangenheit. Ich würde niemals jemanden nach seiner Religion beurteilen.

Atlas: Ja, ich verteidige das nicht. Ich sage nur, wenn die Dinge eskalieren, dann unterscheiden die Leute nicht mehr zwischen israelisch und jüdisch. Natürlich sollten sie das! Deshalb sage ich: Wir brauchen mehr Dialog, mehr Bildung gerade zu diesem Thema.

Levy: Ich bin Botschafterin der britischen Organisation Children of Peace. Ich bin in Jerusalem in eine Schule gegangen, in der palästinensische Kinder zwischen acht und 15 Jahren gemeinsam mit israelischen lernen. Ich sah, wie sie wie Brüder miteinander spielen. Und ich wurde so eifersüchtig! Denn ich wusste, wenn ich zwölf Jahre alt wäre und mit palästinensischen Kindern aufwachsen würde, dann wären die Dinge anders. Alles hat seine Wurzel in der Angst vor dem, was wir nicht kennen. Deshalb denke ich, dass diese junge Generation die Lösung sein wird. Auch wenn ich glaube, dass dies noch lange dauern wird, denn der Hass reicht sehr tief. Auf beiden Seiten. Man sollte bei diesen Kindern anfangen. (Andreas Felber, DER STANDARD, 2./3.3.2013)