Dunkle Wolken über dem Kapitol in Washington

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Nun setzen sich die Streithähne doch noch zusammen, aber die Uhrzeiger stehen nicht auf den sprichwörtlichen fünf Minuten vor zwölf, sondern auf fünf Minuten nach Mitternacht. Am heutigen Freitag trifft sich Präsident Barack Obama mit den Fraktionschefs beider Kammern des Parlaments, um über den Sequester zu reden, jene Zwangskürzungen des Etats, die am selben Tag in Kraft treten, weil Demokraten und Republikaner bisher keinen Mittelweg fanden. Die Runde tagt zu spät, um die Krise noch abzubiegen, weshalb Kritiker von reinem Theater sprechen, von einer Pro-forma-Veranstaltung ohne echte Substanz.

In der Sache hat sich wochenlang nichts bewegt, nun wird wohl automatisch die Axt an den Haushalt gelegt. 85 Milliarden Dollar sollen allein in diesem Jahr eingespart werden, nach einem Automatismus, auf den sich beide Parteien im Zuge des nervenzerreibenden Schuldenpokers des Sommers 2011 verständigt hatten - damals gedacht als absolute Notlösung. Gekürzt wird überall dort, wo der Kongress keine Paragrafen ändern muss, nicht bei den Pensionen oder subventionierter Gesundheitsfürsorge, wohl aber bei Posten, die gesetzlichen Spielraum lassen. Allein das Pentagon muss 800.000 Zivilangestellte fünf Monate lang für einen Tag pro Woche in den Zwangsurlaub schicken. In den Werften Virginias stockt der Bau von Kriegsschiffen, die überfällige Wartung eines Flugzeugträgers verzögert sich, doch es sind vor allem zwei Sparposten, die den Normalverbraucher aufhorchen lassen.

"Es ist wie bei einem Schneeball, der zu Tal rollt"

Zum einen könnte es in den Supermärkten bald Engpässe bei Hühnerbrüsten und Rinderfilets geben, weil die staatlichen Gütekontrollen in den Schlachthöfen reduziert werden. Zum anderen drohen an den Flughäfen längere Wartezeiten und ausgedünnte Routenpläne, da es an Sicherheitspersonal ebenso mangeln wird wie an Fluglotsen. Nach und nach, warnt Janet Napolitano, die Ministerin für Heimatschutz, werde das Publikum die Folgen politischer Unvernunft immer drastischer spüren: "Es ist wie bei einem Schneeball, der zu Tal rollt. Er wird wachsen."

Die Republikaner werfen Obama vor, vier Monate nach der Wahl noch immer von einer Wahlkampfbühne zur nächsten zu tingeln, außerparlamentarischen Druck zu erzeugen, statt geduldig zu verhandeln. "Dies ist die Zeit für Führungsstärke", predigt John Boehner, der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, und unterstellt dem Staatschef einen fatalen Hang zur populistischen Dauerkampagne. Worauf das Weiße Haus erwidert, die Grand Old Party mit ihrer Wagenburgmentalität habe die Zeichen der Zeit nach wie vor nicht verstanden. Um Rekorddefizite abzubauen, strebe Obama eine faire Mischung aus Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen an, und exakt mit dieser Agenda hätten ihn die Amerikaner wiedergewählt. (Frank Herrmann, DER STANDARD, 1.3.2013)