Bei Lewis Baltz werden Fassaden zu abstrakten Kompositionen, die mitunter auch auf die Arbeit von Kollegen (Lawrence Weiners Schriftbilder) referieren: "San Francisco" (1972). 

Foto: Baltz

Wien - Schaltzentralen, Maschinen und rauchende Schlöte: die Fabrik und die industriell geprägte Brachlandschaft als Kulisse für eine existenzielle Geschichte über den entfremdeten Menschen im Industriezeitalter. In sehr frontalen Einstellungen spielt Regisseur Michelangelo Antonio in Il Deserto Rosso mit Materialität und Symbolkraft seiner Hintergründe.

Eine ikonische und konzeptuelle Qualität von Antonionis Filmbildern, die nun in der Ausstellung über den US-Fotografen Lewis Baltz (geb. 1945) dramaturgisch gut gesetzt ist. Gemeinsam mit Albertina-Kurator Walter Moser hat Baltz aus drei Sequenzen ein filmisches Triptychon zusammengesetzt, das nicht nur motivische Parallelen, die Vorliebe für frontale Ansichten und Baltz' Bewunderung für den europäischen Autorenfilm - und dabei insbesondere Antonioni - offenbart, sondern auch das Auge für filmische und kompositorische Qualitäten im Werk des Fotografen sensibilisiert.

Etwa für das dem Film verwandte sequenzielle Arbeiten, das nicht nur das Produzieren in Serien, sondern bei Baltz insbesondere auch ihre formale Montage in gitterförmigen Rastern meint. Ein Arrangieren, das - wie etwa in Candlestick Point (1984/88), einer Serie von Panoramen öder Landschaften rund um San Francisco - ebenso rhythmische Pausen setzt.

Mit Establishing Shots beginnend, tastet der seit 1985 in Paris lebende Fotograf seine spröden, unspektakulären Motive, darunter Häuser, Mauern, Straßen, wie eine Filmkamera aus verschiedenen Distanzen ab, er nähert sich, bis blinde Fenster, Lüftungsschächte und Gebäudekanten abstrakte Qualitäten gewinnen, um sich wieder zu entfernen.

Es sind solche Aufnahmen menschenleerer, jedoch von Menschenhand gezeichneter unspektakulärer Landstriche und urbaner Peripherien und Industriezonen, mit denen Baltz in den 1970er-Jahren eine neue Form der Landschaftsfotografie etablierte. Die Serie Park City (1981) zeigt das trostlose Areal rund um Salt Lake City, ein trotz industriell verseuchter Böden teures Pflaster: "frisch errichtete Ruinen" (Robert Smithson prägte den Begriff "ruin in reverse"), die Baltz' sozialkritischen und unromantischen Blick offenbaren.

Seine Sujets allzu sehr mit Adjektiven wie trist, kahl, hässlich zu bedenken, statt den nüchternen, versachlichten Blick zu betonen, verdeckt die kompositorischen und künstlerischen Aspekte seines Werks, das sich nahe und zeitgleich zur Minimal Art und Konzeptkunst entwickelte. Diesen Kontext arbeitet die Schau, etwa in Gegenüberstellungen mit den symbolträchtigen Industrieporträts von Bernd und Hilla Becher oder statischen Architekturfotos Ed Ruschas beispielhaft heraus. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 1.3.2013)