Zwischen der Furcht vor drohender Unregierbarkeit und klammheimlicher Freude über die Ohrfeige für die Vertreter einer verantwortungsbewussten Politik schwanken nach den Wahlen in Italien auch in Österreich - je nach Klientel - die Empfindungen. Aber warum denn in die Ferne schweifen, liegt das Übel doch so nah? Schon an diesem Wochenende werden wir eine erste Ahnung davon haben, wie weit sich Wählerfrust über die einstigen Groß- und nicht grundlos krankgeschrumpften Koalitionsparteien in das diesmal noch regionale Wahlverhalten eingefressen hat. Den Italienern anzukreiden, sie hätten aus dem langjährigen Treiben eines Silvio Berlusconi, wenn überhaupt etwas, dann nur gelernt, ihm einen Beppe Grillo aufzusetzen, dazu besteht in einem Land, in dem ein Frank Stronach einem H.-C. Strache das Erbe eines Jörg Haider streitig machen möchte, nicht der geringste Grund.

Wäre doch gelacht, wenn wir die Italiener bräuchten! Der Schlaf der politischen Vernunft, die lange von SPÖ und ÖVP gepachtet schien, gebiert hauseigene Ungeheuer, und während man für Italien Unregierbarkeit befürchtet, stellt sich hier die Frage: Wird in Österreich noch regiert? Die Möglichkeit dazu hätte bestanden, schließlich hat man zu diesem Zweck sogar die Legislaturperiode auf fünf Jahre verlängert. Damit aber leider einen Stillstand prolongiert, der, weil allzu intensiv gefühlt, einem austriakischen Nihilismus die Tür öffnet, der das "Fuori tutti!" eines professionellen Komikers zum Programm eines rabiaten Laiendarstellers erheben würde, wäre er überhaupt fähig, ein Programm zusammenzuschustern, das über die windige Floskel "Wahrheit, Transparenz und Fairness" hinausgeht. Wozu auch, wenn man das wenige, das man heutzutage braucht, um im Parlament Klubstatus zu erlangen, im Räumungsverkauf aus der Haider-Erbschaft nachgeschmissen bekommt?

Auch wenn sich Erwin Pröll in den letzten Wochen noch so sehr bemüht hat, Frank Stronach zur Pflege seines absolutistischen Egos als ernsthafte Gefahr (für seine Alleinherrschaft) aufzuwerten, kann er nicht darüber hinwegtäuschen, dass er einer der Protagonisten des bleiernen Stillstands ist, an dem die Demokratie leidet, ja sein Niederösterreich ist die kleine Welt, in der die österreichische diesbezüglich ihre Probe hält. Womit man der Wurzel der Gefahr näherkommt, die in dem fremd- oder eigenfinanzierten Populismus von Personen wie Haider, Strache, Stronach plus Kärntner Zwergen zu liegen scheint. Die Figuren mögen früher oder später verglühen, aber der destruktive, letztlich demokratiefeindliche Geist wird stets aufs Neue Urständ feiern und seine Helden finden, solange sich am Substrat nichts ändert, auf dem er gedeiht: sich staatstragend wähnende Parteien, die den Staat Gefahren aussetzen, indem sie in koalitionärer Komplicenschaft längst als überfällig erkannte Reformen mit der Ausflucht koalitionärer Blockade verwässern, wenn nicht verweigern.

Sonntag könnte sich abzeichnen, was sie im Herbst erwartet. Die Zeit ist knapp, und bisher deutet nichts darauf hin, dass sie die Zeichen an der Wand, die den Verlust ihrer einfachen Mehrheit ankündigen, ernsthaft bedenken. (Günter Traxler, DER STANDARD,1.3.2013)