Der Kampf um den europäischen Gasmarkt geht in eine neue Runde: Der russische Erdgasmonopolist Gasprom treibt den Bau einer zweiten Ostseepipeline voran. Die Verhandlungen dazu sind offenbar weit fortgeschritten: Bis Mai soll die Betreibergesellschaft gegründet werden, heißt es.

Der neue Strang soll internen Planungen nach die gleiche Route nehmen wie die bestehende Pipeline und ebenfalls eine Kapazität von jährlich 55 Milliarden Kubikmetern Gas haben. In Bankenkreisen werden die Baukosten auf neun Milliarden Euro geschätzt, der erste Strang hatte 7,4 Milliarden Euro gekostet. Experten erklären den Anstieg mit den höheren Preisen für Metalle.

Die Verantwortlichen rechnen mit drei Jahren für das Genehmigungsverfahren und mindestens einem Jahr Bauphase. "Wenn wir 2018 in Betrieb gehen könnten, wäre das optimal", sagte ein mit den Planungen vertrauter Manager dem Standard.

Seit 2011 wird russisches Gas aus Wyborg kommend über die Ostseepipeline nach Europa exportiert. An dem Betreiberkonsortium Nordstream sind neben Mehrheitsaktionär Gasprom auch die deutschen Konzerne Wintershall und E.on Ruhrgas sowie die niederländische Gasunie und die französische GDF Suez an dem Projekt beteiligt. Ob sich alle Aktionäre an der Erweiterung beteiligen wollen, ist noch unklar. Interesse an einem Einstieg hat hingegen wohl der britische Energieriese BP. Hintergrund sind die fallenden Förderquoten bei den Öl- und Gasfeldern in der Nordsee.

Überangebot an Gas?

Die Schätzungen über die Entwicklung des europäischen Gasmarkts mussten in den vergangenen Jahren deutlich revidiert werden. Einerseits ist der Gasverbrauch seit 2010 in Europa rückläufig, andererseits hat die Entdeckung riesiger Schiefergasvorkommen in den USA dazu geführt, dass Amerika vom Gasimporteur potenziell sogar zum Exporteur wird. Damit nimmt die Konkurrenz unter den Lieferanten zu.

Russland wird sich künftig also mit Gasproduzenten aus dem Nahen Osten und Afrika um den europäischen Markt streiten müssen. Trotzdem glaubt Gasprom langfristig wohl an einen wachsenden Gasmarkt in Europa. Das belegen auch die Milliardeninvestitionen in das Pipelineprojekt Southstream durch das Schwarze Meer.

Wie mit Southstream verfolgt Russland mit dem neuen Strang der Ostseepipeline aber noch ein weiteres Ziel: Gas, das bisher durch die Ukraine nach Europa floss, soll umgeleitet werden. Zwischen beiden Ländern gibt es seit Jahren Streit um Lieferungen und Transit. (André Ballin, DER STANDARD, 1.3.2013)