Wien - Begabungsförderung hat heute nichts mehr mit Elitenbildung zu tun. Das betonte Gabriele Weigand, Bildungswissenschafterin an der Pädagogischen Hochschule (PH) Karlsruhe, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz anlässlich einer Tagung zu Begabungsförderung an der Kirchlichen PH Wien. Begabungsförderung müsse heute vielmehr bedeuten, dass der Lehrer die Talente jedes einzelnen Schülers erkenne und fördere, betonte Andrea Pinz, die an der KPH Wien das Institut für Begabungsentwicklung und Innovation leitet.

Unter Begabung dürfe man dabei nicht nur kognitive Fähigkeiten verstehen, hoben die beiden Wissenschafterinnen hervor. Talente können laut Pinz ebenso im an Schulen bisweilen nicht so stark berücksichtigten motorischen, künstlerischen, sozialen, emotionalen oder auch spirituellen Bereich liegen.

Ende der Defizitorientierung gefordert

Damit Schüler sich wirklich auf ihre Stärken konzentrieren können, müsse die Schule weg von einer Defizitorientierung, forderte Pinz. Sie plädiert dafür, dass Schüler in jenen Fächern, in denen sie Schwächen haben, nur ein Kerncurriculum erfüllen sollen und dadurch mehr Raum für ihre Talente bekommen.

Lehrer wichtigster Faktor

Der wichtigste Faktor für guten Unterricht sei dabei der Lehrer, so Pinz, der Liebe zum eigenen Fach, Reflexion und Humor brauche. Beim Unterricht gehe es immer um die respektvolle Beziehung zwischen Lehrer und Schüler, wobei man das nicht mit einer "vorschnellen Kuschelpädagogik" verwechseln dürfe.

Lehrerausbildung an Uni

Auch Quantenphysiker Anton Zeilinger hob die überragende Bedeutung des Lehrers hervor: Dieser müsse die Fähigkeit haben, seine Schüler zu begeistern. Deshalb müssen aus seiner Sicht AHS-Lehrer auch nach der geplanten Reform der Lehrerausbildung weiterhin an den Universitäten ausgebildet werden, da eine möglichst starke Anbindung an den Forschungsbetrieb die Begeisterung zum Fach, die an die Schüler vermittelt werden soll, fördere.

Ebenfalls essenziell sei die Haltung des Lehrers gegenüber den Schülern: "Die schlechtesten Lehrer sind die, die nur ihre Sache herunterbeten und die Schüler nicht ernst nehmen." Bei der von Zeilinger begründeten Internationalen Akademie Traunkirchen, bei der begabte Schüler mit PostDocs zu einem bestimmten Thema arbeiten können, werde genau dieses Ernstnehmen versucht: "Da heißen alle Fellows, egal ob jung oder alt." Ziel der Akademie ist es, die Begeisterung begabter junger Menschen für Wissenschaft und Forschung zu stärken.

Arbeiten muss man in Österreich aus Zeilingers Sicht noch an der Haltung gegenüber Naturwissenschaften und Technik. Während es akzeptiert sei, wenn gute Skifahrer früh identifiziert und in eigenen Schulen speziell gefördert würden, werde das bei wissenschaftlich Begabten negativ als Elitenbildung bezeichnet, kritisierte er. "Aber das ändert sich langsam."

Fähigkeit zu Innovation nötig

Für Joseph Renzulli, Leiter des nationalen Begabtenforschungszentrums an der University of Conneticut in den USA, ist in der Begabungsförderung das Zusammenspiel mehrerer Faktoren wichtig: So reiche es nicht, wenn jemand überdurchschnittliche Fähigkeiten in einem Bereich mitbringe, er brauche auch die Fähigkeit zu Innovation und den Willen zum Engagement. Im Unterricht müsse das gefördert werden, indem nicht das Wiedergeben von Gelerntem im Zentrum stehe, sondern lernendes Forschen. Außerdem müsse den Führungspersönlichkeiten von morgen soziales Verantwortungsgefühl und Leitungskompetenzen wie Organisations-, Planungsfähigkeit und effiziente Kommunikation beigebracht werden. (APA, 28.2.2013)