Rom - Justizermittlungen gegen den Chef der Mitte-rechts-Allianz, Silvio Berlusconi, belasten die politischen Gespräche in Hinblick auf eine Regierungsbildung in Rom. Die Justizbehörden in Neapel haben Ermittlungen gegen den Medienzaren wegen Korruption und illegaler Parteienfinanzierung aufgenommen.

Der 76-jährige Chef der Mitte-rechts-Koalition soll 2006 den Senator Sergio De Gregorio mit drei Millionen Euro bestochen haben, um ihn zum Wechsel von der Mitte-links-Partei "Italien der Werte" zum Berlusconi-Lager zu bewegen, berichteten italienische Medien am Donnerstag.

Die Ermittlungen basieren auf Aussagen des Journalisten Valter Lavitola, der in einen umfangreichen Skandal um die Erpressung Berlusconis involviert ist. Berlusconis Block hat bei den Parlamentswahlen am Sonntag und Montag überraschend gut abgeschnitten. Die Gruppierung erhielt die Mehrheit der Sitze im Senat.

Ermittlungen auch wegen Stimmenkaufs

Gegen Berlusconi wurden auch Ermittlungen wegen Stimmenkaufs aufgenommen, berichtete die Tageszeitung "Il Resto del Carlino". Die Staatsanwälte bezogen sich auf den umstrittenen Wahlkampf-Brief, den Berlusconi den Wählern ins Haus geschickt hatte, um sie zu überreden, für seinen Mitte-Rechts-Block zu stimmen. In dem von Berlusconi unterzeichneten Brief wurde den Wählern versprochen, dass sie den gesamten Betrag zurückerstattet bekommen werden, den sie im vergangenen Jahr für die Immobiliensteuer gezahlt haben.

Die Steuer war von der Regierung von Mario Monti als Beitrag zur Sanierung der Bilanzen eingeführt worden. Gegen Berlusconi laufen noch mehrere weitere Verfahren. Er wird etwa verdächtigt, bei einem Geschäft seines Unternehmens Mediaset Steuerbetrug begangen zu haben. In seiner Karriere stand Berlusconi schon oft unter Korruptionsverdacht. Er wurde aber nie rechtskräftig verurteilt.

"Feldzug" gegen Berlusconi

Die neuen Ermittlungen gegen Berlusconi lösten heftige Reaktionen in seinem Mitte-rechts-Lager aus. "Nach den Wahlen, da die Italiener wieder einmal ihr Vertrauen in Berlusconi bestätigt haben, beginnen die Staatsanwälte wieder ihren Feldzug. Die Nachricht, dass wenige Tagen nach den Wahlen zwei Staatsanwaltschaften Ermittlungen gegen Berlusconi aufgenommen haben, würde in einem anderen Land helle Entrüstung auslösen. In Italien sind Ermittlungen gegen Berlusconi leider normal", erklärte der Berlusconi-Vertraute Maurizio Lupi.

Der Sprecher von Berlusconis Partei "Volk der Freiheit" (PdL), Daniele Capezzone, betonte, dass die Justizbehörden nichts an dem Wahlausgang ändern können. "Die Italiener haben wieder einmal ihr Vertrauen in Berlusconi bezeugt", so Capezzone. Der Chef der Berlusconis-Partei Angelino Alfano drohte mit Straßenproteste aus Solidarität mit Berlusconi.

Grillo provoziert

In diesem gespannten Klima signalisierte der Gründer der Protestbewegung "Fünf Sterne", Beppe Grillo, kaum Dialogbereitschaft für den Aufbau politischer Allianzen in Hinblick auf die Bildung einer tragfähigen Regierung. "Wenn Berlusconi und die Mitte-links-Allianz so sehr Wert auf Regierbarkeit legen, können sie der ersten Fünf Sterne-Regierung ihr Vertrauen aussprechen", provozierte Grillo per Twitter.

Seine Protestbewegung ist die drittstärkste Kraft im neugewählten Parlament und ist somit zum Zünglein an der Waage des politischen Systems aufgerückt. Grillo lehnt strikt politische Abkommen mit den etablierten Parteien ab.

Napolitano beruhigt

In dieser verworrenen Lage zeigte sich der italienische Präsident Giorgio Napolitano zuversichtlich, dass es bald zu einer Lösung für das politische Chaos in Rom kommen wird. Allerdings sei Zeit dafür notwendig. In den "nächsten Wochen" nach der konstituierenden Sitzung des neu gewählten Parlaments am 15. März werde es eine Regierung geben, sagte Napolitano am Donnerstag in Berlin. Er fügte hinzu, dass Italien derzeit nicht ohne Regierung sei, sondern von der amtierenden Regierung des ehemaligen EU-Kommissars Monti regiert werde. Diese Regierung werde Italien auch Mitte März beim EU-Gipfel vertreten.

Es gebe zwar ein "kompliziertes Wahlergebnis", aber Italien sei "überhaupt nicht krank", fügte Napolitano hinzu. Deswegen bestehe auch "kein Ansteckungsrisiko". Die Freundschaft zwischen Deutschland und Italien bezeichnete Napolitano als "solide".

Bei der Parlamentswahl am Sonntag und Montag hatte das Linksbündnis um Pier Luigi Bersani die absolute Mehrheit im Abgeordnetenhaus errungen, im Senat gibt es aber keine klaren Mehrheitsverhältnisse. Gesetze müssen von beiden Kammern angenommen werden, die Regierungsbildung gestaltet sich schwierig. (APA, 28.2.2013)