Hat sich eher als evolutionäre Sackgasse erwiesen: die spiralförmige "Zahnzunge".

Illustration: R. Troll

Paläontologe Ray Troll und die Fossilien, die der Forschung lange Zeit Rätsel aufgaben.

Foto: R. Troll

London/Wien - Als vor über hundert Jahren die ersten fossilen "Zahnrollen" gefunden wurden, stand die Wissenschaft gleich vor mehreren Rätseln. Zu welchem Tier gehörten diese seltsam spiralig aufgerollten Zahnstrukturen? An welcher Stelle des Körpers waren sie angebracht? Und zu welchem Zweck dienten sie?

Zuerst ließ sich die Frage des dazugehörigen Tiers klären: Man ordnete die Zahnrollen der urzeitlichen Knorpelfischgattung Helicoprion zu, die vor rund 270 Millionen Jahren lebte. Da jedoch andere Körperteile der seltsamen, bis zu fast acht Meter langen Knorpelfische so gut wie gar nicht erhalten waren, blieb die Funktion der eigenwilligen Kreissäge lange Thema paläontologischer Spekulationen: Saß die Spiral-Säge vielleicht am Schwanz? Lockten die Tiere damit schneckenförmigen Ammoniten an? Oder diente es zum Zermalmen von Muschelschalen?

Zahnrollen mit Unterkiefer verbunden

Mit dem Fund eines vergleichsweise gut erhaltenen Fossils aus Idaho ließen sich die letzten Mysterien des Helicoprion dieser Tage endlich klären: US-Forscher um Leif Tapanila von der Idaho State University untersuchten das Fossil mittels Computertomografie. Die dreidimensionalen Aufnahmen machten schnell klar, dass die Zahnrollen der Fische mit dem Unterkiefer verbunden waren und im hinteren Teil des Rachens saßen, wie die Forscher im Fachblatt "Biology Letters" der britischen Royal Society berichten.

Demnach setzten die Fische ihre Spiralsäge vermutlich nicht als ausfahrbare Jagdhilfe ein, sondern zermahlten damit eher ihre Beute, die sie schon im Maul hatten. Die Kieferbewegungen dürften eine Rollbewegung der Säge bewirkt und für eine effektive Zerkleinerung gesorgt haben. Die Forscher gehen davon aus, dass die Tiere auf diese Weise vermutlich weiche Beutetiere wie Tintenfische in sich hineingestopft haben.

Die neuen Analysen der Zahnstrukturen führten zudem noch zu einer Veränderung der Zuordnung der seltsamen Fische: Sie dürften weniger mit den heutigen Haien verwandt gewesen sein, wie lange angenommen, sondern mit den heutigen Vertretern der sogenannten Seekatzen. (tasch, DER STANDARD, 28.2.2013)