Beim Blick in den Corriere della Sera entfährt Alessandro ein "Porca miseria!". Als er des Besuchs gewahr wird, bemüht der Kustos des Museo di Geologia zu Predazzo etwas Deutsch: "In sechs Monaten wählen wir wieder. Oh Gott, oh Gott, sechs Kinder und kein Brot!" Ein österreichischer Spruch, sagt Alessandro mit Händen und Füßen. Österreicher standen ja hier an einer der Fronten des Ersten Weltkriegs.

Alessandro hat Zeit für ein Schwätzchen. Während der WM hält er das Museum sogar bis 22 Uhr offen. Der Ansturm ist überschaubar, obwohl es im Keller noch eine Philatelie-Ausstellung gibt und Fotos zur Entwicklung des lokalen nordischen Sports.

Die Schätze oben beachtet kaum jemand, die Mineralien wie den Predazzit, die Gesteine, die Porträts der großen Geologen, die nach 1820 in hellen Scharen ins Fleimstal strömten. Giuseppe Marzari Pencati hatte hier nämlich eine Granitschicht gefunden, die - man denke - über dem Kalkstein lag und damit jünger sein musste als dieser. Das versetzte natürlich dem Neptunismus, der Theorie, dass sich in einem Urozean Granite und Schiefer und dann erst Sedimentgesteine wie Kalk entwickelt hätten, den Todesstoß. Die Plutonisten, die die Entstehung der Gesteine und Gebirge vulkanischen Kräften zuschrieben, triumphierten.

Sogar Alexander von Humboldt kam nach Predazzo, logierte im Nave d'Oro und hinterließ wie alle ihm folgenden Kapazunder seine Signatur im Gästebuch. Alessandro findet Trost darin und in den Zeugen einer halben Ewigkeit. Was ist dagegen schon die Kurzlebigkeit der Politik? (Sigi Lützow, DER STANDARD, 28.2.2013)