Anfangssequenz in Mathias Polednas opulentem 35-mm-Film "A Village by the Sea" (2011).

foto: warner

Mathias Poledna (47).

Foto: Georg Molterer

Wien - Wie Gene Kelly schwingt eine Kinokasse Beine, Hut und Spazierstock, und die Dollarbündel laufen ihr nach wie dem Rattenfänger von Hameln. Vorbei ist die Zeit, in der Anzeigen wie diese aus einer goldenen Hollywood-Ära Filmverleiher mit satten Gewinnen umwarben. So offensiv und vordergründig locken Produktionsfirmen den Verleih heute nicht mehr.

Vorbei ist auch die Zeit eines Paares in Mathias Polednas Filmarbeit A Village by the Sea, die in ebenso nostalgischen, wie opulenten Bildern in der Art einer Musical-Verfilmung der 1930er- oder frühen 1940er-Jahre eine ähnliche Dekade beschwört. Im Setting einer klassischen Screwball-Komödie, einem geschmackvoll möblierten, eleganten Interieur, aus dessen Fenster die Lichter der Großstadt zu erahnen sind, besingen ein Mann und eine Frau wehmütig das verlorenen Funkeln im Himmel ihrer Liebe.

Ganz dem Genre entsprechend deutet also nichts darauf hin, dass der zum Whiskey greifende Held im Smoking (Blake Sennett, Gitarrist der Indie-Band Rilo Kiley) und die Amaryllis-gleiche Frau an seiner Seite (Schauspielerin Alison Pill) neben ihren Beziehungsproblemen auch die Nöte des damals von der Weltwirtschaftskrise betroffenen Publikums teilen würden. Eine Inszenierung, die perfekt Polednas generelles Interesse für das Zeitalter der Moderne, die Unterhaltungsindustrie und das Verhältnis von Ökonomie und Eskapismus widerspiegelt.

Beim Song nahm Poledna, der Österreich heuer bei der Biennale in Venedig vertritt, Anleihen bei Charles Trenets melancholischem Chanson Que reste-t-il de nos amours? (1942). Der Künstler übertrug diesen, üppig orchestriert und ins Englische sowie Duettformat übersetzt, in den weniger schwermütigen, beschwingten Stil der amerikanischen Songbook-Tradition.

Anders als sonst in der Secession üblich, handelt es sich bei der im Hauptraum projizierten 35-mm-Arbeit A Village by the Sea jedoch nicht um eine neue, sondern um einen bereits 2011 produzierten Film, der unter anderem 2012 in Berlin vorgestellt wurde. Dort allerdings in einem Kinosaal nächst der Galerie. Im klassischen White Cube ergänzte man nicht wie in Wien mit den Drucken der jubilierenden Box-Office, sondern mit monochromen Malereien: eine, wie Poledna es ausdrückt, " antithetische, komplementäre Konstellation".

Dass die Wiener Inszenierung für Poledna das Ideal ist, daran zweifelt niemand, der den Stellenwert des präzisen Displays und des Mitdenkens architektonischer Konstellationen in seinem Werk kennt. Und so ist auch das Reinszenieren einer bestehenden Arbeit für Poledna alles andere als ein Makel. Statt stetiger Produktion interessiert ihn mehr die Variation. "Der Gedankenprozess ist bei mir nicht mit der Beendigung des Films abgeschlossen", sagt er. Die Lesart ändere sich im (Zeit-)Kontext.

Die Schwärze, die den Betrachter umfängt, passt auch besser zu den Worten, die er dem Song dazudichtet und Blake Sennett (mit dem er bereits in Actualité 2001 zusammenarbeitete) in den Mund legt: "A picture captured in celluloid. Words idly spoken into the void." Die Leere ist schwarz wie das Innere der Kamera, mit der Poledna das streng symmetrische Raumgefüge vergleicht. Und das passt wiederum zu seiner an institutioneller Kritik geschulten Praxis. Wer das Innere einer Kamera nicht so gut kennt, darf sich bestimmt auch die Black Box eines Kinosaals vergegenwärtigen: So oder so wird er Teil des Apparats, einer Maschinerie, die der Künstler kritisch hinterfragt. (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD, 17.2.2013)