Die Ampel ist rot, Peder Jensen wartet. Die Ampel wird grün, Jensen schafft es wegen der vielen Fahrer vor ihm nicht über die Straße. Die Ampel wird wieder rot. Diese Erfahrung machte der Experte der Europäischen Umweltagentur auf dem Weg zur Arbeit.

Foto: derStandard.at/Julia Slamanig

In Österreich kennen wir solche Situationen vor allem vom Auto aus, aber in Kopenhagen ist das Alltag: Täglich fahren hier rund 35 Prozent der Menschen mit dem Rad zu Uni, Schule oder Arbeit. 2015 sollen es 50 Prozent sein.

Laut Statistik Austria und Verkehrsclub Österreich (VCÖ) nutzen in Österreich rund drei Prozent der Beschäftigten – das sind 270.000 Personen – das Fahrrad für den Arbeitsweg. Die meisten Radpendler hat die Steiermark, nämlich 56.000. Diese Menschen leben gesünder, tragen zu besserer Luft bei und ersparen sich Geld, denn bei fünf Kilometern Anfahrtsweg betragen die Spritkosten für ein Arbeitsjahr laut VCÖ durchschnittlich 170 Euro. Und das ist nur ein kleiner Teil der jährlichen Kosten für einen PKW.

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Kopenhagen kämpft fürs Klima

Die Radquote ist Teil des Kopenhagener Klimaplans, der im Sommer 2012 beschlossen wurde (derStandard.at berichtete). Bis 2025 soll die dänische Stadt CO2-neutral werden – als erste Hauptstadt der Welt. Um das zu erreichen, fokussiert man auf energieeffiziente Bauweisen, erneuerbare Energien, will Menschen dazu bringen, ihre Transportgewohnheiten zu ändern und allgemein weniger zu konsumieren.

Der Bereich Mobilität ist nicht nur aus Klimagründen wichtig, sondern auch aus Gründen der Lebensqualität: "Reduziert man den Transport, bekommt man saubere Luft. Viele Städte in Europa haben mit Luftverschmutzungsproblemen zu kämpfen", so Peder Jensen, der selbst jeden Tag 6,5 Kilometer zur Arbeit radelt: "Eine gute Distanz, um am Morgen frische Luft zu schnappen."

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Laut Jensen hatte Dänemark "schon immer" viele Fahrräder. "Ein Grund dafür sind die hohen Autosteuern", erklärt er. In Dänemark würden keine Autos produziert, und für einen Wagen, der in Schweden 50.000 Euro kostet, zahle man hier fast 150.000 Euro.

Peder Jensen von der Europäischen Umweltagentur.
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Um noch mehr Menschen als bisher aufs Fahrrad zu locken, ist entsprechende Infrastruktur nötig. "Oft stellt sich die Frage, wer den besten Weg bekommen soll: Auto, Bus, Tram oder Fahrrad?", so Jensen, "meist verlieren die Fahrräder, aber in Kopenhagen werden Hauptstraßen verkleinert, um Radwege zu vergrößern."

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Superhighways

Derzeit entstehen in der dänischen Hauptstadt Superhighways, auf denen Radfahrer mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 20 Kilometern pro Stunde ohne Hindernisse problemlos und sicher dahindüsen können. Geplant sind 26 Routen mit einer Gesamtlänge von 300 Kilometern. Im April 2012 wurde der erste Abschnitt eröffnet (derStandard.at berichtete). Ziel ist es, dass Menschen dadurch auch Arbeitswege von über fünf Kilometern mit dem Fahrrad zurücklegen – bisher tut dies in Kopenhagen nur jeder Fünfte.

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"Man muss die Gewohnheiten der Menschen ändern", betont Jensen, "und es ihnen möglichst leicht machen. Dazu braucht man aber nicht nur Radwege, sondern ebenso Parkplätze oder Duschmöglichkeiten." Auch im Winter wird's den Radlern in der dänischen Hauptstadt leicht gemacht, denn an vielen Straßen räumt man den Schnee zuerst von den Fahrradwegen, dann von den Autostraßen.

Individualisierte Bikes

Die Kopenhagener verstauen Hund, Kind und Kegel am Rad, lassen individuelle Kisten, Kindersitze, Tresen, sogar Herde anfertigen. Auch Crêpe- und Schmuckstände werden am Fahrrad transportiert und vom Fahrrad aus verkauft.

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Städte in ganz Europa bauen nach dem Vorbild Kopenhagens ihren Radverkehr aus. Der Trend schwappt auch nach Amerika über.

"Stadtplaner aus den USA kamen im Vorjahr hierher, um zu sehen, was Städte lebenswerter macht", so Jensen, "dafür wurde eine eigene Bezeichnung geprägt: "to copenhagenize". Das bedeutet, eine Stadt fahrradfreundlicher zu machen." (Text und Fotos Julia Slamanig, derStandard.at, 19.3.2013)