Frohe Aussichten für Eltern von Zahnspangenkindern: In Österreich wird in Zukunft in Zahngesundheit_investiert. Nicht nur Kariesprophylaxe, auch Zahnspangen werden billiger.

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Gabi weiß offenbar schon, was auf diesem Stuhl normalerweise passiert. Während sie hinaufgehoben wird, ballt sie ihre kleinen Fäuste und drückt sie fest gegen den Mund. "Stell dir vor, das ist ein Liegestuhl am Strand", sagt Monika Felhofer, die ärztliche Leiterin des Linzer Dentalzentrums für Kinder und Jugendliche (KIDZ), mit ruhiger Stimme. Fünf weitere Vorschulkinder schauen sie mit großen Augen an. Sie bekommen erklärt, wie der Zahnarzt die "Kariesteufel" aus dem Mund putzt.

Die Station KIDZ wurde im Jahr 2002 eröffnet und ist eine Einrichtung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse. Kinder und Jugendliche werden dort bis zum 18. Lebensjahr zahnmedizinisch behandelt und bekommen abnehmbare Spangen zum Kassentarif.

Früh massive Schäden

Die meisten Patienten seien noch im Kindergartenalter, hätten aber oft "schon massive Schäden", erzählt Felhofer. Immer wieder müsse sie Kindern Karies unter Vollnarkose entfernen. Ein Grund, warum das Zentrum einige Prophylaxeprogramme wie Karies- und Zahnputzschulen für Kinder und ihre Eltern eingerichtet hat. Denn: "Schlechte Zähne sind absolut vermeidbar. Die Kinder müssten nur regelmäßig ihre Zähne putzen, Wasser statt Säften trinken und sich gesund ernähren", sagt Felhofer. Allzu oft scheitere die Zahngesundheit der Kleinen an der Unwissenheit von Mama und Papa. Das heimische Gesundheitssystem schreitet in den allermeisten Fällen erst ein, wenn ein Problem schon besteht - die Zahngesundheit ist da keine Ausnahme, Projekte wie KIDZ sollen Abhilfe schaffen.

Zweimal die Woche kommen darüber hinaus Kindergarten- und Vorschulgruppen ins Dentalzentrum und bekommen gratis von Zahnarzthelfern und Ärzten erklärt, wie sie richtig putzen - und dass der Zahnarzt und seine Geräte "Freunde" sind, vor denen sie sich nicht fürchten müssen. Durch positive, andere Ausdrücke für Spritzen ("Traumkugerln") und Bohrer ("Rumpler") sowie gezielte "Verhaltensführung" versuchen Felhofer und ihre Kollegen, die Wachbehandlung für die Kinder "so angenehm wie eben möglich" zu machen.

Überholtes Honorarsystem

Wenn Erwachsene zum Zahnarzt gehen, dann kommt zu den Schmerzen oft noch eine unangenehme Begleiterscheinung hinzu: die zu erwartende Rechnung. Mehrere tausend Euro für Zahnersatz oder -regulierung sind keine Ausnahme, auch für Kinder muss man ordentlich in die Brieftasche greifen, etwa wenn eine Zahnspange notwendig wird.

Der Grund dafür liegt in einem uralten, längst überholten Honorarsystem. Der Rahmenvertrag zwischen dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger und der Zahnärztekammer geht (bis auf wenige Modifikationen) auf die 1950er zurück. Sprich: Bezahlt wird von der Krankenkasse nur, was vor einigen Jahrzehnten State of the Art war. Alles darüber hinaus bleibt am Patienten hängen.

Zumindest den Wunsch, das zu ändern, bekunden sowohl Sozialversicherung als auch Zahnärzte; politisch gibt es wenig Eingriffsmöglichkeiten. Das Gesundheitsministerium hat daher einen Kniff gewählt, um einen gewissen Preisdruck zu erzeugen: Es hat mit Jahresanfang 2013 die gesetzliche Regelung für die Zahnambulatorien der Gebietskrankenkassen geändert. Diese durften bisher teuren Zahnersatz nur in sehr eingeschränktem Umfang anbieten; künftig können auch sie etwa Stiftzähne und fest sitzende Zahnspangen machen. Diese Ambulatorien dürfen keine Gewinne erwirtschaften, sie können ihre Leistungen daher günstig kalkulieren.

Deutliche Preisunterschiede

Eine erste Berechnungsrunde für die Wiener Ambulatorien zeigt, dass es da einigen Spielraum gibt. So kostet dort etwa eine Vollkeramik-Krone 564 Euro. Laut der Honorarliste der Zahnärztekammer muss man dafür in einer "normalen" Ordination 892 Euro hinlegen. Es handelt sich um einen Durchschnittswert, der tatsächliche Preis hängt vom Zahnarzt ab. Deutlich billiger ist auch die Mundhygiene (56 Euro im Kassen-Zahngesundheitszentrum, 78 Euro beim durchschnittlichen Zahnarzt).

Für die Zahnspange ist die Berechnung noch nicht ganz fertig, sie soll aber "deutlich billiger" werden, sagt Ewald Niefergall, leitender Zahnarzt der Wiener Gebietskrankenkasse. Er erhofft sich auch einen indirekten Preisdruck: "Ein Patient kann sich zum Beispiel bei uns einen Kostenvoranschlag holen, damit zum Zahnarzt gehen und versuchen, dort einen günstigeren Preis herauszuschlagen."

Die Kinder, die im Linzer KIDZ zu Besuch sind, plagen andere Sorgen. Am Ende ihrer Lehrstunde bekommen sie eine Jause. Es gibt Butterbrot, kleingeschnittenes Gemüse und Wasser. Warum sich Kinder gesund ernähren sollen, fragt eine Helferin. "Damit wir nicht so viel Zähneputzen müssen", schreit ein kleiner Junge und lacht. Die Prophylaxe hat offenbar schon gewirkt. (Andrea Heigl und Katharina Mittelstaedt, Family, DER STANDARD, 6.3.2013)