Bild nicht mehr verfügbar.

Alfred Nobel war selbst nie in Baku, bezog aber einen Großteil seines Vermögens aus der aufstrebenden Ölindustrie. Als seine Privatsekretärin, die laut Gustaf Nobel auch "ein Verhältnis mit Alfred hatte", animierte ihn Bertha von Suttner, gebürtige Gräfin Kinsky, zur Nobel- Stiftung und wurde 1905 erste Trägerin des Friedensnobelpreises.

Fotos: AP, EPA

Gustaf Nobel, Urenkel Ludvigs (eines Bruders von Alfred), will einen neuen Preis stiften.

Foto: Ruzicka

Die einstige Nobel-Firma in Baku.

Foto: Josef Kirchengast

Wien – Gustaf Nobel ist ein typisch schwedischer Geschäftsmann: höflich, zurückhaltend. Er war Manager in schwedischen Unternehmen wie Elektrolux und ABB. Heute leitet er das Beratungsunternehmen Conversus SARL und engagiert sich in Umwelt- und Klimaschutzprojekten. "Erneuerbare Energien", sagt er, müssen angesichts der steigenden Temperaturen unsere Zukunft sein." Auch einen Preis für Nachhaltigkeit will er ins Leben rufen, kündigte er bei der von Arnold Schwarzenegger initiierten Klimaschutzkonferenz R20 jüngst in Wien an. Schließlich sind es Erdöl und andere fossile Energieträger, die das Erdklima anheizen.

Wahrscheinlich werde der Preis aber nicht den Namen Nobel tragen, sagt er ein bisschen schmunzelnd im Gespräch mit dem STANDARD. "Die in Stockholm hätten das sicher nicht gern." Die in Stockholm – damit meint er das norwegische Komitee, das jedes Jahr die von Alfred Nobel gestifteten Preise vergibt.

Beim Namen Nobel denkt man automatisch an den Erfinder des Dynamits und Initiator des Nobelpreises. Doch die Brüder von Alfred waren nicht weniger erfinderisch und noch reicher als Alfred. Dies hatte mit dem Erdöl zu tun, das in Baku gewonnen wurde und wo die Nobel-Brüder "involviert waren", wie man im heutigen Finanzsprech sagt. Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts stieg Emanuel Nobel, der Großvater Gustafs, zu einem der reichsten Männer Europas auf, die Nobels wurden als "russische Rockefeller" bezeichnet.

Dieser Reichtum ist der heute rund 350 Mitglieder zählenden Nobel-Familie nicht geblieben. Alfred vermachte sein Vermögen bekannterweise der Nobel-Stiftung. Daran nicht unbeteiligt war die Österreicherin Bertha von Suttner, die 1878 die Stelle einer Privatsekretärin von Nobel annahm und, wie Gustaf augenzwinkernd sagt, "ein Verhältnis mit Alfred hatte". Sicher ist, dass die spätere Friedensnobelpreisträgerin in Diskussionen Alfred dazu animierte, die Stiftung zu gründen. In dieser Stiftung waren auch die Vermögensanteile, die Alfred an "Branobel" gehalten hatte und die er seinem Bruder Ludvig Nobel verkaufte.

Branobel stand für "Naphta-Produktionsgesellschaft Gebrüder Nobel", eine in Baku ansässige Gesellschaft, die das zaristische Russland praktisch bis zur Revolution mit Petroleum für Lampen belieferte. Auch in Europa stammte das Lampenöl häufig aus der kaspischen Region. Eher zufällig und auf der Suche nach Walnussholz für Gewehrkolben war Alfreds Bruder Robert in den Kaukasus gereist. Die Nobels betrieben nämlich eine profitable Waffenfabrik in St. Petersburg, für die sie das Kolbenholz benötigten.

Aus den Holzkäufen wurde Erdölförderung. Das "schwarze Gold" rund um Baku, das dort einfach aus Löchern quoll und nur abgeschöpft werden musste, machte schnell unermesslich reich. Ludvig Nobel, der dritte der Brüder (und Urgroßvater Gustafs), baute das Ölgeschäft aus, ließ sich dort nieder und errichtete in Stadtnähe die Villa Petrolea (siehe unten).

Es war eine Art Bonanza, schreibt Bertram Brökelmann in seinem Buch Die Spur des Öls. Einige wenige kamen zu immensem Reichtum, was dem Charakter dieser Männer nicht guttat. Nur zehn ehrliche Ölbarone habe es in der Stadt gegeben, darunter auch einen "noblen Schweden". Gemeint ist der Großvater Gustafs, Emanuel, der das Geschäft von seinem verstorbenen Vater Ludvig übernommen hatte.

Ungefähr zu der Zeit lebte auch Bertha von Suttner im Kaukasus, allerdings im georgischen Tiflis. Geboren als verarmte Gräfin Kinsky, hatte sie bei den Suttners in Wien die Stelle einer Gouvernante angenommen. Der Sohn des Hauses verliebte sich in die ältere Bertha, die beiden heirateten heimlich in Wien und flohen nach Georgien. Finanziell nicht sehr erfolgreich, dienten sie dort dem georgischen Herrscherhaus als Lehrer, später waren beide als Schriftsteller und Journalisten tätig. Gustaf glaubt, dass Bertha von Suttner Alfred Nobel im Kaukasus nie getroffen habe – schließlich sei Alfred nie in Baku gewesen.

Emanuel machte die Exzesse der neureichen Ölbarone Bakus nicht mit. Es gab ordentliche Arbeiterquartiere mit einem Krankenhaus und einer Schule. Auch wurde in der Villa Petrolea eine Bücherei für die Arbeiterkinder eingerichtet. Andere Ölmagnaten zahlten ihren Arbeitern Hungerlöhne und ließen sie in Elendsquartieren hausen.

Stalins Lehrjahre

Mit der Jahrhundertwende ging eine Ära unwiederbringlich zu Ende. In den Slumvierteln Bakus lebte ein Georgier namens Josef Dschugaschwili, der sich später Stalin nannte. Auch er arbeitete zwischendurch in der Ölindustrie. Die Region war ein guter Nährboden für die aufkommenden revolutionären Ideen. Das Öl machte einige wenige Ausländer extrem reich, während die Einheimischen von dem Reichtum ihres Landes nicht profitierten. Im frühen 20. Jahrhundert kam es zu Aufständen und Revolutionen, die aufbegehrenden Arbeiter setzten Ölquellen in Brand.

Auch das Nobel-Unternehmen ignorierte die dunklen Wolken, die sich über der besitzenden Klasse überall im zaristischen Russland zusammenballten. 1917 wurden die Nobels von der Oktoberrevolution überrascht und mussten fliehen. Ihre Besitztümer am Kaspischen Meer und die Fabriken in St. Petersburg wurden enteignet. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, 26.2.2013)