Brieffreunde sind sie nicht mehr geworden. Im August 2011 erreichte den damaligen Ministerpräsidenten Italiens, Silvio Berlusconi, ein brisantes Schreiben. Der Absender: der Italiener Mario Draghi, der designierte, und Jean-Claude Trichet, der amtierende Chef der Europäischen Zentralbank.

„Die Regierung muss sofortige und mutige Schritte setzen, um die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen zu sichern", drängten die Frankfurter Währungshüter die römische Regierung in untypisch klaren Worten und listeten gleich sieben Anliegen auf. So sollte der Haushalt bereits 2013 ausgeglichen sein, Italien also keine neuen Schulden mehr machen. Berlusconi wehrte sich gegen das Frankfurter Diktat und verteidigte Italien als „solide und solvent". Doch während dem skandalumwitterten Berlusconi selbst eine Reihe von Gerichtsverfahren nichts anhaben konnte, musste er schließlich 2011 unter dem Druck hoher Zinsen abdanken.

In der vergangenen Woche hat die EZB selbst etwas Licht in die Causa um den Rückzug des Cavaliere gebracht. Denn die Zentralbank ist seit den turbulenten Wochen im Spätsommer 2011, als internationale Anleger ihr Vertrauen verloren, zum wichtigsten Gläubiger Italiens aufgestiegen.

"Keine andere Wahl"

102,8 Milliarden Euro an italienischen Bonds halten die Währungshüter in ihrem Portfolio, verkündeten sie vor einer Woche. Das Engagement der EZB in Italien ist groß. Pro Handelstag werden gerade einmal 1,2 Mrd. Euro an Staatsanleihen an der Börse Italien umgesetzt. Würde sich die EZB von ihren Italien-Papiere trennen, wären die Kapitalmärkte überfordert: „Die nächste Regierung wird keine andere Wahl haben, als dem Reformkurs von Monti zu folgen, wenn es im Euro bleiben will", sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank.

Dabei hat die EZB an anderer Stelle Italien bereits Luft verschafft. Zuletzt sind die langfristigen Zinsen auf 4,4 Prozent gefallen, von ihrem Rekordhoch von über 7,5 Prozent. „Die Renditen sind gering, weil die Märkte wissen, dass Italien notfalls Finanzhilfe aus Europa erhalten", sagt Ben May, Ökonom der britischen Wirtschaftsforscher Capital Economics. Die EZB hatte im September versprochen, Staatsanleihen zu kaufen – allerdings nur gegen Sparauflagen. „Der Sparplan Italiens wird daher von außen diktiert werden", erwartet May.

Denn der Spielraum ist enger, als Italiens Politik vor der Wahl zugeben wollte: „Die neue Regierung muss ihre Wirtschaftsprognose für 2013 senken, und das bedeutet weitere Sparmaßnahmen, um das Defizitziel zu erreichen." Dazu hat das Land die für 2012 gesteckten Ziele verfehlt. „Wenn eine italienische Regierung sich jetzt gegen die eingeschlagene Sparpolitik wendet, wird sich die Lage in Europa anspannen." (Lukas Sustala, DER STANDARD, 26.2.20013)