Bild nicht mehr verfügbar.

Schwer belastet: Die Kardinäle Keith O'Brien (Großbritannien) und Roger Mahony (USA). Ihre Teilnahme am Konklave wäre ein peinlicher Abschluss für Benedikts Pontifikat.

Foto: REUTERS/Al Seib/AP Photo/Scott Campbell

Roger Mahony aus Los Angeles möchte gerne am Konklave teilnehmen. Formal darf er das auch. Er ist noch keine 80 Jahre alt und Kardinal der römisch-katholischen Kirche. Darum gibt er auch schon freudig das Vorhaben über Twitter bekannt und bittet die Gläubigen um unterstützendes Gebet. Die Schäflein tun aber ganz anders: In den USA werden Unterschriften gegen seine Teilnahme am Konklave gesammelt.

Der Aufruhr ist verständlich. Die "New York Times" analysiert, Mahony habe von allen Würdenträgern am umfangreichsten die Vertuschung des Missbrauchs betrieben. Vertuschung, die neuen Missbrauch ermöglichte. Alles nur eine Inszenierung der "bösen Medien" oder einiger irregeleiteter Gläubiger? Mitnichten. Denn vor wenigen Wochen, am 31. Jänner, sah sich sogar sein Nachfolger, Erzbischof José Horacio Gómez, genötigt, Mahony von allen öffentlichen Funktionen und Aktivitäten abzuberufen. "Interne Kirchenakten hatten belegt, dass die Erzdiözese unter Mahonys Leitung systematisch pädophile Priester vor Strafverfolgung geschützt hatte", schreibt die kirchenamtliche Kathpress ganz ohne Unschuldsvermutung. Am vergangenen Wochenende musste sich Mahony einer eidesstattlichen Vernehmung durch US-Richter unterziehen. Kein Wunder, wenn er sich lieber im Vatikan als in Los Angeles aufhalten möchte.

Niemand könne einen wahlberechtigten Kardinal daran hindern, am Konklave teilzunehmen, verteidigte dieser Tage der Vatikan die bevorstehende Teilnahme des umstrittenen Kirchenmannes. Diese Aussage ist auf irreführende Weise unvollständig. Bis 28. Februar, 19.59 Uhr kann Papst Benedikt Mahony als Kardinal absetzen. Ohne Frist. Dann ist er nicht mehr wahlberechtigt.

Der Papst steht seit Jänner ohnehin unter Zugzwang. Denn formal hat der Erzbischof von Los Angeles mit der Maßregelung des Kardinals seine Kompetenzen bei weitem überschritten. Kardinäle dürfen nur vom Vatikan diszipliniert werden. Das heißt, der Vatikan müsste eigentlich Erzbischof Gómez den Kopf waschen oder aber die Notwehraktion in Los Angeles bestätigen und Mahony eben tatsächlich von allen Ämtern entbinden. Ein bisschen Zeit ist ja noch.

Zieht Mahony tatsächlich ins Konklave ein, wäre dies ein trauriger und peinlicher Schlusspunkt eines Pontifikats, das durch den Missbrauchsskandal maßgeblich geprägt war. Es bewiese genau jene Zögerlichkeit, Halbherzigkeit, ja sogar skandalöse Untätigkeit, die Papst Benedikt stets an den Tag legte, wenn der Skandal den Kreis der Kardinäle erreichte.

Die Situation in Los Angeles ist an Dramatik kaum zu überbieten. Die Diözese leistete mittlerweile 490 Millionen Euro an Wiedergutmachung an etwas mehr als 500 Opfer sexuellen Missbrauchs, pro Kopf also fast eine Million. (Nebenbei: Da sieht man, wie billig die Kirche in Österreich bisher die Opfer abgespeist hat. Mehr als 25.000 Euro wurden bisher kaum einem Opfer seitens der Klasnic-Kommission zuerkannt.)

In einer bislang beispiellosen Aktion hat die Erzdiözese von Los Angeles die Akten der Missbrauchstäter kürzlich ins weltweite Netz gestellt.

Seit Sonntag ist ein zweiter Fall publik, der einen peinlichen Schatten auf das Konklave werfen könnte. Dem ranghöchsten britischen Würdenträger der römisch katholischen Kirche, Kardinal Keith O'Brien, 74, haben Priester seiner Diözese und ein ehemaliger Geistlicher "unangemessenen Kontakt" vorgeworfen. Thema ist hier, so muss man das Codewort wohl verstehen, nicht Kindesmissbrauch, sondern sexueller Übergriff, Ausnützung eines Abhängigkeitsverhältnisses und die in der römisch-katholischen Kirche so verpönte ausgelebte Homosexualität. (Es gilt die Unschuldsvermutung.)

Da ein Dossier dem Nuntius, so wird berichtet, schon vor dem Rücktritt des Papstes übergeben wurde, ist ein Störmanöver des Konklaves auszuschließen. Treffen die Vorwürfe Jahrzehnte zurückliegender Taten zu, zeigt sich eher eine Parallele zum Fall Groer. Da meldeten sich die Opfer erst, als der damalige Wiener Erzbischof gegen Lustknaben öffentlich predigte. O'Brien hatte zur Frage gleichgeschlechtlicher Ehen im vergangenen Jahr erklärt, diese seien "schädlich für das körperliche, geistige und geistliche Wohlergehen der Betroffenen". Er kämpfe offen gegen die staatliche Gleichstellung mit der Ehe. (Nebenbei: Moderner gab er sich dafür am vergangenen Freitag. Da trat er für die Aufhebung des Pflichtzölibats ein. Das schadet ihm - ungerechterweise - bei den Römern vermutlich mehr als ein allfälliger Missbrauch.)

Anstatt die Zeit damit zu verschwenden, darüber nachzudenken oder gar Gesetze zu erlassen, das Konklave um ein paar Tage vorzuverlegen, sollte sich Benedikt mit der wichtigeren Frage beschäftigen, wer aller mit dem Kardinalshut herumläuft.

PS: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Papst seine letzten Amtstage dazu nützen sollte, um eine Klärung der Verantwortung der Päpste und des Vatikans für den internationalen Missbrauchsskandal einzuleiten. Die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission wäre doch etwas. (Wolfgang Bergmann, derStandard.at, 25.2.2013)