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Anna Maria Krassnigg: als Professorin am Wiener Seminar erst befehdet, nun auf dem Sprung an die Mittelbühne.

Foto: apa/Teresa Zoetl

Wien - Die Wiener Theaterjury hat ihre Empfehlungen ausgesprochen: Die Namen der Werber um eine mehrjährige Konzeptförderung sind bekanntgegeben.

Alles könnte gut werden für die zur Förderung Empfohlenen. Theatermacherin Anna Maria Krassnigg, deren Salon 5 erstmals auf der Mehrjahresliste aufscheint, spricht dennoch von "weichen" Tagen. Sie meint nicht unbedingt die Schneedecke auf Wiens Straßen. Die fünfköpfige Jury der Stadt hat über die Höhe der einzelnen Fördersummen bis jetzt kein Wort verloren.

Mit den Zahlen muss das politisch verantwortliche Kulturamt der Stadt Wien herausrücken. Von der jeweiligen Förderdotierung hängt es ab, ob die empfohlenen "strategischen Partnerschaften" einen Sinn ergeben. Zwei Fusionen stehen an: Die Garage X (Ali M. Abdullah, Harald Posch) wird ab 2014 eine Dependance im Meidlinger Kabelwerk (Erich Sperger) haben. Kurios: Die Allianz der beiden Institutionen stand ausdrücklich nicht auf dem Wunschzettel der Jury und geht allein auf das Konto der Wiener Grünen.

Krassniggs Salon 5 will mit dem notorisch kurzgehaltenen Nestroyhof Hamakom zusammengehen. "Die Not gebiert eine Einsicht", sagt Krassnigg dazu. Die teils italienischstämmige Regisseurin durfte im Verlauf des vergangenen Jahres eine Menge Einsichten gewinnen. Als sie zur ordentlichen Regie-Professorin am Wiener Max-Reinhardt-Seminar bestellt wurde, entlud sich über sie ein wahrer Sturm der Entrüstung. Manche hätten lieber den Kollegen Stefan Bachmann an ihrer Stelle gesehen. Die härtesten Kritiker versäumten nicht, ihr gleich sicherheitshalber jegliche Qualifikation und jegliches Können abzusprechen.

Tatsächlich hat Krassnigg nicht nur an deutschen Stadttheatern, sondern wiederholt auch am Grande Théatre Luxembourg gearbeitet. Heuer wird sie im Rahmen der Festwochen Robert Neumanns bizarr-genialen Roman Die Kinder von Wien in der Expedithalle inszenieren.

Theaterehe auf Zeit

"Die Mittel werden nicht mehr", sagt Krassnigg mit Blick auf das Wiener Theaterbudget. Tatsächlich kann die Jury über die Verteilung von sechs Millionen Euro befinden. Vom Rest erhalten Projektwerber eher wenig, die Bezieher einer "Standortförderung" hingegen sehr viel.

Mit dem Eingehen einer "strategischen Partnerschaft" soll nun dem Koproduktionswesen ein neuer Impuls verliehen werden. Frederic Lions Hamakom-Theater leidet unter seiner chronischen Unterdotierung. Mit 300.000 Euro im Jahr kann man im zweiten Wiener Gemeindebezirk keine Mittelbühne kontinuierlich bespielen. Lion hatte zuletzt Privatmittel lockergemacht, um den Nestroyhof in Schuss zu halten.

Ein "Salon Hamakom" soll nun ab 2014 des Rätsels Lösung darstellen. Krassnigg spricht von einem Haus "mit Identität und Profil", in das nicht unbedingt geförderte Einzelprojekte hineingenommen werden sollen. Der Nestroyhof würde das schmucke Aushängeschild bilden, der Salon 5 bliebe als Diskursplattform in Rudolfsheim-Fünfhaus erhalten.

Was heißt das in Zahlen? Krassniggs Salon brächte 150.000 Euro als Mitgift in die befristete "Ehe" ein. Lion wiederum hat eine Fördersumme von rund 600.000 Euro beantragt. Lege man beide Summen zusammen, sei es machbar, so Krassnigg. Beziehungsvoller Nachsatz: "Der Knackpunkt darf nicht eintreten, dass man einreicht, um automatisch ein Drittel weniger zu bekommen."

Natürlich ist das Dramaturgiepapier nicht so weiß wie die Schneedecke in Wien. Krassnigg schwebt für den Doppelhaushalt ein Motto vor: "Die im Dunkeln sieht man nicht." Es gehe ihr um die Nacht, nicht um den Tag. Um Literatur, die im Abseits stehe. Um dasjenige in der Kunst, "das nicht mit Maß und Vertrag abzuhandeln" sei (Dostojewski). (Ronald Pohl, DER STANDARD, 25.2.2013)