Seinerzeit galt in Rom: Brot und Spiele. Heutzutage gilt in Wien: Wasser und Spiele.

Der römische Dichter Juvenal kritisiert in seiner Satire, dass das Volk in der Zeit der funktionierenden Repu blik die Macht an Feldherren vergeben hat und nur noch unterhalten werden wollte. In Wien hat das Volk die Macht mittels Wahl an die rot-grüne Regierung übertragen und soll nun  unterhalten werden: mit einer Volksbefragung, die sich Fragen widmet, die sich gar nicht stellen.

Zum Beispiel jener, ob Wasser oder Gemeindebauten privatisiert werden sollen. Die SPÖ hat die Stadt mit roten Plakaten überzogen, die in dicken weißen Buchstaben verkünden: Die SPÖ schützt. Etwas kleiner gedruckt steht dann dabei: Wiener Wasser bzw. Gemeindebauten vor Privatisierung. Nur – wer will denn privatisieren? Die Antwort liefern die Boulevardmedien. "Die EU schielt nach unserem Wasser", erklärt die Kronen Zeitung. Seit Tagen wird getrommelt: "Hände weg von unserem Wasser!"

Diese Medien und Wiener SPÖ-Politiker muss EU-Kommissar Michel Barnier im  Standard-Interview gemeint haben, als er sagte: Es gebe "Leute, die Interesse daran haben, falsche Informationen zu verbreiten". Dass die SPÖ nun einräumt, für das Wiener Wasser habe genauso wenig wie für Gemeindebauten und den öffentlichen Verkehr Gefahr bestanden, zwangsverscherbelt zu werden, zeugt von ge wisser Einsicht. Diese geht aber doch nicht so weit, die Plakate abzunehmen. Nun richtet sich das Schutzangebot nicht mehr gegen die EU, sondern die Oppositionsparteien, weil diese laut SPÖ ständig ankündige, Gemeindeeigentum verkaufen zu wollen.

Das ist wie ein schlechter Witz, dessen Pointe man sich nicht kaputtmachen lassen will. Dass die Wiener SPÖ die EU-Richtlinie nicht lesen konnte oder wollte, wie  in sozialen Medien behauptet wird, stimmt natürlich genauso wenig wie die Behauptung, es fehle an zündenden Themen für diese Volksbefragung. Die Frage, ob sich Wien um die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2028 bemühen soll, drängt sich schlicht auf. Eine Gemeinde, die es seit Jahren nicht schafft, ihr Stadthallenbad zu sanieren, braucht hochgesteckte und zeitlich gestreckte Ziele, um selbiges zu erreichen.

Bei so viel Linkspopulismus dürfen in Österreich rechtspopulistische Töne nicht fehlen. Jenseits der Grenzen des roten Wien findet im schwarzen Niederösterreich ein Landtagswahlkampf statt, den die aus diesem Bundesland stammende Innenministerin Johanna Mikl-Leitner befeuern will. Nicht anders sind ihre Law-and-Order-Vorstöße der vergangenen Wochen zu erklären: Von Haartests bei Drogenverdacht bis zu Forderungen nach Strafverschärfungen bei Einbrüchen und einer Quasipflicht zur Annahme von Saisonjobs für Asylwerber. Mit dem Schüren von Ressentiments gegen Ausländer und Kriminelle geht auch die FPÖ auf Stimmenfang.

"Offene Grenzen – drei Viertel der Wiener in Angst", titelte Österreich nach der Erweiterung des Schengenraums 2007. In Artikeln wurde insinuiert, die Kriminalität werde ansteigen. Das ist nicht geschehen. Auch Parteien versuchen, Gefahren heraufzubeschwören und für ihre Zwecke zu nutzen. Das ist für Österreich typisch: eine informelle Koalition von politischen und medialen Populisten, die sich wechselseitig aufeinander beziehen und die der Politikwissenschafter Fritz Plasser "Boulevarddemokratie" nennt. (Alexandra Föderl-Schmid, DER STANDARD, 23./24.2.2013)