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Armut in der Wirtschaftsmetropole Turin: Der Bahnhof Porta Nuova wird im Winter Zufluchtsort für Obdachlose.

Foto: Reuters/Perottino

Keine Politik ohne Skandale, und die jüngsten Affären in der italienischen Wirtschaft werden die Wähler auch diesmal nicht ungerührt lassen. Der jüngste Bilanzfälschungsskandal bei Italiens drittgrößter Bank Monte dei Paschi di Siena hat dunkle Schatten auf die Linksdemokraten (PD) unter Pier Luigi Bersani geworfen. Tatsächlich könnte der Skandal Silvio Berlusconi zugutekommen: "Der Rückgang der Zustimmung im linken Lager ist auch auf den Bankenskandal zurückzuführen", erklärt Meinungsforscher Renato Mannheimer.

Auf der anderen Seite schadet der Bestechungsskandal um den Rüstungskonzern Finmeccanica dem Berlusconi-Block. Ein inzwischen auf Eis gelegter Verkauf von Hubschraubern an Indien dürfte größere Auswirkungen haben: Bestechungsgelder sollen auch an die Lega Nord, lange Jahre treue Verbündete Berlusconis, gezahlt worden sein.

Von dem Skandal ist auch der aktuelle Interimspremier Mario Monti betroffen, wenngleich nicht direkt: Ihm wirft man vor, als ehemaliger Banker (er war Berater von Goldman Sachs) von den Machenschaften rund um Monte dei Paschi di Siena gewusst zu haben. Und in der Causa Finmeccanica habe es Monti verabsäumt, den (inzwischen inhaftierten) Firmenchef Giuseppe Orsi rechtzeitig vor die Tür zu setzen.

Papstrücktritt als Wahlfaktor

Die großen Leidtragenden wegen der Skandalgeschichten werden bei der Wahl wohl einige der Wirtschaft nahestehende Parteien sein. So musste Montis Bewegung eine kontinuierlich sinkende Zustimmungsrate hinnehmen. Einziger Gewinner ist zweifellos Beppe Grillo mit seiner Protestbewegung (siehe Seite 2 und 3).

Demoskop Mannheimer weist aber noch auf einen anderen, in keinem Strategiepapier vorgesehenen Stimmungsfaktor hin: Berlusconi könnte ausgerechnet Benedikt XVI. einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. "Der Papst hat nahezu eine Woche lang die Titelseiten beherrscht und hat Berlusconi die Show gestohlen", so Mannheimer, der darauf hinweist, dass der Ex-Premier mehr als andere auf sein Image in den Medien angewiesen ist.

Während Berlusconi den Bürgern wirtschaftliche Erholung und ökonomischen Aufschwung verspricht und Monti die Schuldenkrise für überwunden erklärt, nehmen in der Realität der Italiener Armut und sozialer Notstand dramatische Ausmaße an: Heute leben 8,2 Millionen der 60 Millionen Italiener knapp über der Armutsgrenze und weitere 3,5 Millionen eindeutig darunter. Das Durchschnittseinkommen der Bevölkerung ist auf das Niveau von 1986 zurückgefallen. Bis 2017 wird das Bruttosozialprodukt bestenfalls auf den Stand von 2007 steigen, und jeder dritte Jugendliche ist arbeitslos.

Der Privatkonsum, der zeitweise auf den Stand der Nachkriegsjahre zurückgefallen war, zog zuletzt etwas an. Er ist ein extrem wichtiger Faktor und zugleich die Achillesferse in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone.

Problematisch bleibt die Gesamtlage: Seit Mitte 2011, nunmehr also das sechste Quartal in Folge, steckt Italien in einer Rezession – das ist die längste Durststrecke seit rund 20 Jahren.

Mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt auch das Ausland die Wahl. Sollte der als Schuldenmacher verschriene Berlusconi erfolgreich sein, dürfte Italien "an den Märkten brutal abgestraft werden", meint Martin Lück, Volkswirt bei UBS. Dann könnten die Zinsaufschläge auf italienische Staatspapiere rasch wieder Rekordhöhen erreichen. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand /DER STANDARD, 23.2.2013)