Selten hat man EU-Währungskommissar Olli Rehn so ernst gesehen wie Freitagmittag, als er in Brüssel die "Winterprognose" zur Wirtschaftsentwicklung in EU und Eurozone präsentierte: "Die harten Zahlen sind sehr enttäuschend. Nur einige Softdatas sind positiv", wie der Zuwachs an Vertrauen bei den Einkaufsmanagern zuletzt, erklärte der Finne. Die EU- und Eurostaaten könnten sich nur sehr langsam und zäh aus der Krise herausarbeiten.

Konkret: Die Eurozone dürfte 2013 mit minus 0,3 Prozent erneut in der Rezession verharren (2012: minus 0,6). Grund dafür sei ein im Vergleich zur Herbstprognose überdeutlicher Rückgang von 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung im vierten Quartal 2012. Die EU-27 kämen nach bisher vorliegenden Zahlen daher in diesem Jahr nur auf ein Plus von 0,1 Prozent.

2014 leichter Aufschwung

Erst 2014 zeichnet sich ein leichter Aufschwung ab: Die Wirtschaft der Eurozone soll dann um 1,4 Prozent, jene in der EU um 1,6 Prozent wachsen. Positiv sei zu bewerten, dass sich das globale Umfeld durch Erholung in China und positive Anzeichen in den USA verbessert habe, sagte Rehn. Er mahnte dringlich ein, dass Reformen und Konsolidierung der Haushalte nach wie vor Gebot der Stunde seien. Die hohe Verschuldung im Euroraum (2013: 95,1 Prozent des BIPs, 2014: 95,2 Prozent) drücke stetig und wesentlich auf das Wachstum.

Einziger Lichtblick ist die Inflation: Sie wird 2013 erstmals seit langem unter zwei Prozent fallen, 2014 sogar auf 1,5 Prozent im Euroraum, was der angestrebten Preisstabilität entspreche.

Umso dramatischer ist das Szenario bei der Arbeitslosigkeit insbesondere in der Eurozone. Sie steigt im Schnitt weiter an, erreicht mit 12,2 Prozent in der EU 2013 ein historisches Hoch (Vorjahr: 11,4 Prozent) - woran sich auch 2014 kaum etwas ändert. In der EU-27 fällt 2013 auch die Beschäftigungsquote (-0,4 Prozent).

Wesentlich besser präsentieren sich sowohl beim Wachstum als auch bei der Arbeitslosigkeit die drei baltischen Staaten, Rumänien, aber auch Polen.

Markant sind die immer größeren Unterschiede zwischen den Ländern der Eurozone. Österreich rechnet mit moderatem Wachstum (2013: plus 0,7, dann 1,9 Prozent in 2014) und einer Arbeitslosigkeit von nur 4,5 Prozent im laufenden Jahr. Es gehört neben Deutschland und Luxemburg zu den Besten. Demgegenüber werden Spanien (mit 26,9 Prozent) und Griechenland (27 Prozent) bei den Arbeitslosen auch über 2014 hinaus auf Spitzenwerten verharren. Rehn: "Völlig inakzeptabel". Beide Länder kämpfen gleichzeitig mit der Einhaltung der Budgetdefizite und steigenden Schulden. Spanien muss mit Sanktionen rechnen, da es sein Staatsdefizit 2013 mit minus 6,7 Prozent des BIPs weit überzieht.

Problem Frankreich

Neben Spanien bereitet Italien Kopfzerbrechen. Der Regierung in Rom bescheinigte Rehn, dass sie bei der Bekämpfung des strukturellen Defizits gut unterwegs sei. Aber es dürfe nach der Wahl am Sonntag kein Nachlassen bei Reformen geben. Zum eigentlichen und neuen Problemkind der Eurozone entwickelt sich Frankreich.

Die Kommission rechnet damit, dass das Land 2013 ein Budgetdefizit von 3,7 Prozent des BIPs einfährt, weit über der Zusage, drei Prozent zu unterschreiten. 2014 würde das Defizit sogar noch einmal ansteigen, wenn die Regierung keine Sparmaßnahmen ergreife. Zum Vergleich: Deutschland erwartet Budgetüberschüsse.

Von Sanktionen, wie sie nach neuen Euroregeln möglich wären, will Rehn bei Frankreich vorerst absehen, die definitiven Zahlen von Eurostat im Mai abwarten. Ein weiterer Kandidat für Sanktionen aus Brüssel ist Belgien, das seine Defizitziele deutlich verfehlt hat. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 23.2.2013)