Fast hätte Ágoston Sámuel Mráz die gute Nachricht vergessen: Seit vergangenem Sommer seien nur noch 30 Prozent der Ungarn-Berichte in ausländischen Medien negativ. Davor waren es mehr als 50 Prozent, seit Viktor Orbán nach seinem fulminanten Wahlsieg im Frühjahr 2010 die Regierung übernahm.

Mit dem jüngsten Skandal um die rechtsextreme Jobbik-Partei dürfte Ungarns mediale Negativquote wieder steigen - aber davon wusste am Mittwochabend in der ungarischen Botschaft in Wien noch niemand. Politologe Mráz, Chef des regierungsnahen Budapester Thinktanks und Meinungsforschungsinstituts Nézöpont, sollte die Bilanz Orbáns ein Jahr vor der nächsten Wahl erläutern. Denn: "Ungarns größtes Problem ist, dass niemand versteht, was in Ungarn geschieht."

Mit seiner Zweidrittelmehrheit im Parlament habe Orbán nach dem Bankrott der sozialistischen Regierung "das Mandat bekommen, alles zu ändern", sagt Mráz. Die Regierung spreche zwar von einer Revolution, er selbst nenne es aber einen "New Deal" (in Anspielung auf die Politik von US-Präsident Franklin D. Roosevelt in den 1930er-Jahren). Mit fünf Zielen: Abbau der postkommunistischen Netzwerke; Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit; Neuaufbau des Staates, der sich "am Rande der Anarchie" befunden habe; international stärkere Wahrnehmung der nationalen Interessen; und schließlich stärkere Wertorientierung der Politik durch die "Betonung des christlichen Menschenbildes".

Diese Orbán'sche Revolution gilt laut Mráz "der produktiven Mittelklasse" . Aber wie steht die dazu? Sehr ambivalent: Zwar befürworten dem Politologen zufolge zwei Drittel der Wähler die konkreten Maßnahmen der Regierung, zugleich aber findet eine Mehrheit nicht, dass die Reformrichtung insgesamt stimmt. "Die Stimmung ist nicht gut genug, darum muss man etwas ändern."

In Umfragedaten: 36 Prozent würden derzeit die Regierungspartei Fidesz wählen (2010: 52 Prozent), 32 Prozent sympathisieren entweder mit der Linken oder sind auf jeden Fall für einen Regierungswechsel. Expremier Gordon Bajnai, der ein Wahlbündnis gegründet hat, ist zum ernsten Herausforderer Orbáns geworden. Dieser versuche nun nach drei Jahren Umbau die Wende, meint Mráz: "Keine neue Konfrontation, sondern das Erreichte konsolidieren." Der Haken dabei: Orbán sei ein Kämpfer, der gerade in der Konfrontation zur Höchstform finde - "und für einen Kämpfer ist es immer schwierig, Frieden zu schließen". (Josef Kirchengast, DER STANDARD, 22.2.2013)