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An der Universitäts-Kinderklinik der MedUni Wien am AKH existiert beispielsweise ein Netzwerk, das sich um Kinder mit Tuberöser Sklerose kümmert.

Foto: dapd/Hans Punz

Wien - Zwischen 6.000 und 8.000 unterschiedliche Krankheiten zählen zu der Gruppe der "seltenen Erkrankungen", die bei weniger als fünf von 10.000 Personen auftreten. Das ist ein Grund, warum es oft zu lange dauert, bis eine korrekte Diagnose gestellt wird, betonten Experten im Vorfeld des "Rare Disease Day" (Tag der seltenen Erkrankungen) am 28. Februar. Einschlägige Spezialisten fordern deshalb die Etablierung von Zentren für Diagnose, Therapie und Forschung.

"In Österreich sind rund 400.000 Menschen von seltenen Erkrankungen betroffen - in Deutschland vier Millionen Personen. Das sind Zahlen die belegen, dass da etwas getan werden muss", sagte Rainer Riedl, stellvertretender Obmann von "Pro Rare Austria" im Rahmen eines Hintergrundgesprächs.

Kritik an Gesundheits- und Sozialwesen

Insgesamt leiden drei bis vier Prozent der Neugeborenen an vererbten oder auch durch spontane Genmutationen hervorgerufenen Erkrankungen. Das Problem liegt darin, dass durch die Seltenheit die Diagnose oft sehr spät gestellt wird. Zudem sind in der Therapie oft verschiedenste Fachleute gefordert. Das traditionell auf "Volksleiden" ausgerichtete Gesundheits- und Sozialwesen weiß aber offenbar auch oft nicht richtig, was man mit den Betroffenen anfangen soll, lautet die Kritik der Experten.

Riedl betonte, dass es Fälle von Chefärzten der sozialen Krankenkassen gebe, welche die Betroffenen in einer Art behandeln würden, "die jeder Beschreibung spottet", und Kostenersätze einfach ablehnten, weil die Patienten einfach nicht ins System passten. Eine Umfrage habe zudem ergeben, dass Menschen mit seltenen Erkrankungen am meisten durch mangelnden Kostenersatz durch die Krankenkassen (21,5 Prozent aller Angaben) und durch mangelnde Kenntnisse der Ärzte benachteiligt sind.

Vorbild für personalisierte Medizin

Nach Meinung der Spezialisten wäre aber auch die Etablierung von spezialisierten Zentren wichtig. An der Universitäts-Kinderklinik der MedUni Wien am AKH gibt es beispielsweise ein Netzwerk, das sich um Kinder mit Tuberöser Sklerose - eine Erkrankung, bei der es in fast allen Geweben zu gutartigen und potenziell lebensgefährlichen Tumorbildungen kommt - kümmert. In Österreich sind davon rund 1.000 Kinder betroffen. Stehen am Beginn oft Gehirnveränderungen mit Epilepsien, sind es später Probleme mit Haut, Herz, Augen oder Nieren, die es zu behandeln gilt.

Solche komplexe Aufgaben können laut Martha Feucht, Leiterin des pädiatrischen Epilepsiezentrums am Wiener AKH, nur in Kompetenzzentren wirklich erfüllt werden. Dort sollten aber auch Grundlagen- und klinische Forschung ablaufen sowie Patientenregister angesiedelt sein, aus denen sich erst Daten für die Wissenschaft ableiten lassen. Die seltenen Erkrankungen könnten nach Ansicht der Medizinerin so zu einem Vorbild für eine personalisierte Medizin der Zukunft werden.

Nicht zuletzt macht die moderne Molekularbiologie durch die individuelle Charakterisierung des Krankheitsbild beim einzelnen Patienten auch häufige Erkrankungen - zum Beispiel Krebsleiden mit zunehmend mehr Untergruppen - zu ganz spezifisch behandelbare Leiden, so das Fazit von Feucht. (APA/red, derStandard.at, 20.2.2013)