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Für den einen die reine Zwangshandlung, für die andere die komunikative Fortsetzung der (Studenten-) WG

Foto: dapd/Hermann J. Knippertz

Pro: Die Wohngemeinschaft
Von Peter Illetschko

Im Großraumbüro arbeiten ist wie leben in der WG. Man nimmt Anteil am Alltag der anderen. Schön ist das. Ein Kollege erstickt beinahe an einem Brösel, ein anderer stolpert schimpfend über die Designermistkübel und erntet Szenenapplaus, und die Kollegin, die morgens "in Pilates" war, erzählt allen Interessierten, dass ihr schlecht ist. Vis-à-vis in der anderen, fünf Meter entfernten Abteilung wird gelüftet. Jemand schreit, dass es zieht. Daneben versinkt ein Kollege auf der Suche nach Konzentration in seinem PC.

Und fast jeder nimmt den Mitstreitern im sozial transparenten Raum Essen von unterwegs mit, weil man ja nett sein will. Eigentlich. Obwohl man sich immer nur über die Lautstärke der anderen ärgert, wenn sie so telefonieren, dass man mitreden könnte, selbst aber natürlich unschuldig am Lärmpegel ist - wie einst in der WG. Das sind Rahmenbedingungen, die Grüßen nötig machen. Intimität setzt Höflichkeit voraus. Ein "Hallo!", ein Grüß Sie!", ein Grummeln mit Kopfnicken reicht. Man wird ja bescheiden.

Kontra: Der Grüssaugust
Von Christian Schachinger

Wer einmal das Vergnügen hatte, den Bundespräsidenten bei seiner Amtsausübung in der Sparte Kontakt mit der Bevölkerung zu beobachten, weiß, dass Grüßen rein gar nichts mit Höflichkeit zu tun hat. Es handelt sich dabei um eine Zwangshandlung ohne jede Bedeutung. Der Grüßaugust macht Grußbekanntschaften, die er eine Minute danach schon wieder vergessen hat. Die Grußbekanntschaft dankt dem Grüßaugust für das ihrerseits unvergessliche Beachtetwerden eventuell mit einem Kreuzerl auf dem Stimmzettel für die zweite Amtsperiode. Achtung, in der zweiten Amtsperiode wird das Zurückgrüßen des Bundespräsidenten für alle Beteiligten vollkommen sinnlos!

Im Großraumbüro sehe ich jeden Tag neue wildfremde Menschen und wundere mich, weil: Wer sind die denn? Wo kommen die denn her? Die hat es hier doch früher auch nicht gegeben! Gleich danach habe ich alles wieder vergessen. Übrigens, auf Grußbekanntschaften, die mich nicht grüßen, bin ich nachhaltig bitterböse. Ich bin ein großer weißer Wal. (Rondo, DER STANDARD, 22.2.2013)