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Christian Struppeck über den Betrugsfall "Rebecca": "Dass ein Investor plötzlich stirbt: Das ist schon vorgekommen. Aber dass jemand Investoren erfindet und den Produzenten täuscht, das war natürlich extrem."

Foto: apa

STANDARD: Alexander Goebel hat Andreas Gabalier beim Opernball "im Namen der Vereinigten Bühnen Wien" beauftragt, ein rustikales Musical zu schreiben. Goebel spielt zwar immer wieder in VBW-Produktionen mit - so auch im Musical "Natürlich blond", das am 21. Februar Premiere hat. Ist er aber befugt, Aufträge zu vergeben?

Struppeck: Ich denke, das war ein lockeres Gespräch auf einer Party. Goebel hat sicher keinen Vertrag im Namen der Vereinigten Bühnen abgeschlossen. Es ist nichts geplant mit Andreas Gabalier. Aber wenn so eine Idee entsteht, kann man darüber nachdenken.

STANDARD: Kathrin Zechner, Ihre Vorgängerin, ist mit der Idee, Hubert von Goisern zu beauftragen, gescheitert. Gibt es überhaupt heimische Musiker, mit denen die VBW Musicals entwickeln können?

Struppeck: Wir werden Musicals entwickeln - mit österreichischen und internationalen Künstlern. Wir arbeiten an verschiedenen Projekten. Aber ich kann Ihnen keine Titel nennen. Denn wir wissen noch nicht, welches Projekt zur Bühnenreife gelangen wird.

STANDARD: Warum hat es in den letzten Jahren keine großen Eigenproduktionen gegeben?

Struppeck: Das weiß ich nicht. Als ich kam, gab es viele Projekte, die anentwickelt waren. Ich habe mich entschlossen, nur ein oder zwei davon weiterzuverfolgen - jene, die für das Ronacher und das Raimund-Theater geeignet sind.

STANDARD: Die erste neue Eigenproduktion hat 2014 Premiere?

Struppeck: Das ist unser Ziel, aber ein Prozess lässt sich nicht genau planen. Ich weiß, dass man auf eine Neuproduktion wartet, und man wartet zu Recht. Denn es gab schon lange, seit Rudolf, keine große Eigenproduktion.

STANDARD: Das war 2009. Die alten VBW-Musicals wie "Elisabeth" werden erfolgreich ins Ausland lizenziert. Das bringt Einnahmen. Doch langsam fehlt Nachschub. Für 2013 rechnet der Konzern, zu dem auch die Oper im Theater an der Wien gehört, mit einem Defizit von 6,4 Millionen Euro ...

Struppeck: Die Subvention wurde, wie Sie wissen, vor zwei Jahren von 40 auf rund 37 Millionen reduziert. Ich habe das nicht verstanden. Denn alle wussten, dass wir mit diesem Betrag nicht auskommen. Selbst wenn Natürlich blond ein Hit wird, kann es sich aufgrund der Fixkosten nicht ausgehen. Wir haben zwei Häuser mit je 1000 Plätzen. Die Mitbewerber haben Häuser mit 1800 oder 2000 Plätzen. Trotzdem verlangen sie weit höhere Eintrittspreise. Es kann sich daher nicht ausgehen.

STANDARD: Vielleicht ist der Aufwand der VBW zu hoch?

Struppeck: Auf dem Niveau einer Tourneeproduktion zu spielen hat doch keinen Sinn. Unser Konzept sieht Musiktheater auf höchstem Niveau vor, ich bin stolz darauf, dass wir die besten Darsteller und Musiker haben. Unsere Produktionen sind erstklassig - auf Broadway-Niveau. Das New Yorker Team von Natürlich blond war bei den Besprechungen und Proben hier und total begeistert. Wir haben einen sehr guten Ruf in New York! Und das ist wichtig für weitere Projekte.

STANDARD: Die VBW haben einen guten Ruf nach der Absage von "Rebecca" im Herbst 2012?

Struppeck: Es ist schrecklich, was da passiert ist. Aber wir haben Rebecca nicht produziert, sondern nur die Lizenz vergeben. Am Broadway platzen immer wieder Produktionen. Und dass ein Investor plötzlich stirbt: Das ist schon vorgekommen. Aber dass jemand Investoren erfindet und den Produzenten täuscht, das war natürlich extrem.

STANDARD: Die VBW waren nicht nur Lizenzgeber, wie Sie behaupten, sondern auch Investor.

Struppeck: Das stimmt. Daher haben wir auch immer wieder nachgefragt, ob der Produzent das Geld beisammen hat. Und wir haben uns abgesichert: Uns gehört die Ausstattung.

STANDARD: Haben Sie diese nun?

Struppeck: Nein, sie ist noch in New York. Der Produzent hat ja all sein Geld in die Produktion gesteckt. Wenn wir ihm die Ausstattung wegnehmen, ist er komplett ruiniert. Und auch das Geld der anderen, echten Investoren ist weg. Wir haben uns daher gesagt, dass wir ihm eine neue Chance geben müssen. Diese endet mit Juli 2013. Vielleicht gelingt es ihm noch, Rebecca zu realisieren.

STANDARD: Wenn Sie neue Stoffe entwickeln: Bedenken Sie die Verkaufbarkeit gleich mit?

Struppeck: Das muss ich. Wir wollen die Stücke ja vermarkten. Ich finde es daher wichtig, dass ein Musical der VBW einen Bezug zu Österreich hat.

STANDARD: Wenn ein Stück Qualität hat: Muss es dann wirklich den Bezug geben? Das Kaiserhaus wurde ohnedies mehrfach verarbeitet.

Struppeck: Man soll sich natürlich nicht einschränken, man muss nicht die Lebensgeschichten aller Persönlichkeiten vertonen. Idealerweise hat ein Stück lokalen Bezug und internationales Flair.

STANDARD: Müssten Sie nicht Leute wie Elton John animieren, ein Musical für die VBW zu schreiben?

Struppeck: Wir haben einen erstklassigen Ruf, und wir müssen daher in solchen Dimensionen denken. Roman Polanski hat in Wien inszeniert. Das ist die Messlatte. Ich gehe aber von einer Geschichte aus. Ich würde nicht sagen: "Wir haben hier vier Hits eines bekannten Komponisten" - solche Angebote gibt es - "und erfinden eine Geschichte dazu." Das funktioniert meist nur auf dem Papier.

STANDARD: Gibt es derzeit Trends?

Struppeck: Am Broadway laufen 30 Shows, alle unterschiedlich. Man kann sie kaum unter einen Hut bringen. Es gab diesen Trend der Jukebox-Musicals wie Mamma Mia, es gibt jetzt sicher einen Trend hin zu Komödien und verrückten, spaßigen, leichten, aber nicht seichten Sachen.

STANDARD: Sie sind ja auch Autor. Welches Musical hätte Sie gerne selbst geschrieben?

Struppeck: Das wäre aktuell schon Natürlich blond. Der Titel sagt nicht viel, es verbirgt sich aber mehr dahinter. Ich sah die Voraufführung, sie war schnell, witzig, es gibt intelligente Texte. Ich war platt. Dann habe ich mir das Musical in der gleichen Woche noch einmal angeschaut, was ich selten mache. Natürlich blond ist einer der wenigen Fälle, bei denen das Musical besser ist als der Film.

STANDARD: Wie lange muss "Natürlich blond" laufen, damit die Produktion als Erfolg gilt?

Struppeck: Wir planen grundsätzlich immer für eine Saison. Vor 20 Jahren ging es noch, dass man ein Stück nur für drei Monate ansetzen konnte, da die Ausstattung nicht so aufwändig war. Wenn man zurückblickt: Da könnte man neidisch werden! Wir müssen 60 bis 70 Prozent der Kosten an der Kassa einspielen. Manche sagen: "Probiert doch etwas Verrücktes aus! Wenn es nicht klappt, ist es doch egal. Ihr bekommt ohnedies Subventionen." Aber: Nein, ist nicht egal! Wenn eine Show nicht super läuft, haben wir gleich ein massives finanzielles Problem. (Ljubiša Tošić/Thomas Trenkler, DER STANDARD, 20.2.2013)