Wien - Eine ungewöhnliche Allianz aus Sozialdemokratischem Lehrerverein (SLÖ) und den Wiener Pflichtschullehrern im ÖAAB hat am Dienstag vor den Folgen der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit für den Schulalltag gewarnt. Das gerade in Begutachtung befindliche Anpassungsgesetz für den Schulbereich sieht vor, dass bei Berufungen gegen Bescheide (z.B. über die Aufstiegsberechtigung) nicht mehr der Bezirks- und in zweiter Instanz Landesschulrat entscheiden, sondern Eltern direkt beim Bundesverwaltungsgericht berufen müssen. "Kommunikation zwischen Schule und Eltern würde so nicht mehr stattfinden", warnte der SLÖ-Vorsitzende Dumser.

Direkte Kommunikation sei besser

"Weil wir früher anfangen zu reden, müssen viele Bescheide erst gar nicht geschrieben werden", beschreibt Dumser das derzeitige Modell, in dem Bezirksschulinspektoren (BSI) in erster Instanz über Beschwerden entscheiden. Wenn etwa Eltern dagegen berufen, dass ihr Kind die Klasse wiederholen muss, würden vom BSI alle Schularbeiten und Hausaufgaben, Tests etc. überprüft und die Angemessenheit der Note überprüft. "Da konnten wir viele Geschichten lösen", so Dumser. Einsprüche gegen Sitzenbleiben seien derzeit der häufigste Berufungsgrund.

Neue soziale Ungerechtigkeiten

Nach dem von den Lehrern kritisierten Anpassungsgesetz, das mit Anfang 2014 in Kraft treten soll, müssten Eltern gleich bei Gericht berufen. Mit zweierlei negativen Folgen, wie Dumser befürchtet: Er sehe die Gefahr, dass dieses System neue soziale Ungerechtigkeiten erzeuge - vor allem, wenn beim Gang zum Verwaltungsgerichtshof als letzter Instanz die Gefahr drohe, dass man die Gerichtskosten übernehmen muss. Dumser sieht noch ein "Horrorszenario" mit weit größeren Auswirkungen: "Alle (Lehrer, Anm.) werden darüber nachdenken: Wie kann ich mich verhalten, dass ich nicht zum Kadi muss?" Das könnte etwa dazu führen, dass alle Schüler die Klasse positiv abschließen, auch wenn sie das Lehrziel nicht erreichen.

Frist der Gerichte

Konkret sieht das Anpassungsgesetz vor, dass das Bundesverwaltungsgericht bei Einsprüchen etwa gegen die Festlegung besonderer Maßnahmen für Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf oder bei Schulschwänzen etc. innerhalb von drei Monaten zu entscheiden hat. Bei Nichtbestehen von Aufnahme- oder Eignungsprüfungen, Suspendierung oder der Nichtberechtigung zum Aufstieg in die nächste Klasse muss das Gericht in drei Wochen entscheiden.

Diese Fristen würden allerdings nicht immer mit dem Ablauf des Schuljahres übereinstimmen, warnte Dumser. Mögliche Folge: Wenn Entscheidungen etwa über die Einstufung eines Schülers in die Vorschulklasse erst nach Ablauf bestimmter Fristen fielen, könne das dazu führen, dass Kinder zum Wechsel der Klasse bzw. sogar Schule gezwungen werden, so Ulrike Mangl vom ÖAAB.

Bezirksschulinspektor als erste Instanz erhalten

Die Lehrervertreter fordern deshalb, dass der Bezirksschulinspektor als erste Instanz erhalten bleiben soll. In zweiter Instanz solle ein dreiköpfiger Senat, bestehend aus einem Richter und zwei in der Sache unabhängigen Schulexperten, anstelle eines - möglicherweise in Schulrecht nicht kompetenten - Richters über die Berufung entscheiden.

Die Lehrer kündigen an, nun beim Unterrichtsministerium gegen das geplante Gesetz mobil zu machen. Dieses hat laut Dumser ohnehin Mängel: So sei es fraglich, ob ein Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen über Pflichtschulen, die ja Ländersache sind, treffen könne. Er verwies außerdem auf einschlägige Erfahrungen in der Vergangenheit: So sei 1974 bereits einmal die Anwendung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes auf Schulen vorgesehen gewesen - und 1977 wieder zurückgenommen worden, weil sie "nicht den Erfordernissen des Unterrichts und der Erziehung" entsprochen habe. (APA, 19.2.2013)