Sofia - In bulgarischen Großstädten ist es in der Nacht auf Dienstag erneut zu groß angelegten Protesten gegen die Regierung sowie die Armut im Land gekommen. In Weliko Tarnowo forderten diese ein erstes Todesopfer: Ein 26-jähriger übergoss sich angeblich aus Protest mit Benzin und zündete sich an. Er verstarb im Krankenhaus. In der Hauptstadt Sofia wurden 15 Menschen verletzt, darunter auch Polizisten, elf Personen wurden festgenommen.

Nach Angaben der Polizei war das Opfer der Selbstverbrennung psychisch krank und schizophren. In sozialen Netzwerken wurde der 26-Jährige jedoch bereits als bulgarischer Mohamed Bouazizi gefeiert, dessen Selbstverbrennung 2011 jene Proteste ausgelöst hatte, die zum Sturz des tunesischen Machthabers Ben Ali führten.

Die Demonstration in Sofia startete mit rund 1.000 Demonstranten an der "Adlerbrücke", einem zentralen Verkehrsknotenpunkt der Stadt. Danach umzingelten diese die nahe gelegenen Gebäude des Parlaments und begannen Steine zu werfen. Die Polizei drängte die Menschenmasse, die mittlerweile auf bis zu 2.000 Personen angewachsen war, in Richtung der Fußgängerzone in der Innenstadt. Dort kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, Müllcontainer wurden umgeworfen und in Brand gesteckt, vier Polizeiautos beschädigt.

Schießerei in Sofia

In einer Nebenstraße kam es zu einer Schießerei, weil ein Autobesitzer von seinem Balkon mit einer Gaspistole in die Menge schoss, um seinen Wagen zu verteidigen. Der Schütze wurde festgenommen. Das Innenministerium versuchte erneut zu beruhigen und äußerte die Vermutung, dass die Krawalle hauptsächlich von Fußballfans verursacht worden waren.

Unterdessen wurde in der zweitgrößten bulgarischen Stadt Plovdiv bereits das vierte Auto des niederösterreichischen Stromversorgers EVN in Brand gesteckt. Die Proteste hatten sich vergangene Woche vor allem an den angeblich überhöhten Strompreisen entzündet, nun richten sie sich auch gegen die allgemeine Armut und die Regierung.

Für den heutigen Dienstag sind weitere Proteste geplant. Zu Mittag wollen Umweltschützer demonstrieren, die für den Abend geplanten Demonstrationen richten sich erneut gegen die Armut und die Regierungspolitik. Beobachter schätzen die Lage vor dem Hintergrund des Jahrestags der Erhängung des bulgarischen Nationalhelden Wassil Lewski - eines der bekanntesten Freiheitskämpfer gegen das Osmanische Reich - als höchstexplosiv ein. (APA, 19.2.2013)