Ülo Salm einst

Foto: ZDF/WDR/Kängeruh Film

... und heute.

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Seine inzwischen geschiedene Frau Constanze Salm von Rohn im Teddyladen.

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Berlin/Wien - Irgendwann müsse Schluss sein, sagten sich die Berliner Filmemacher Detlef Gumm und Hans-Georg Ullrich. Seit 26 Jahren begleiten sie ihre Protagonisten: 30 Menschen aus Berlin-Wilmersdorf ließen die Dokumentaristen teilhaben - an ihrem Alltag, Urlaub, Erfolg, Niederlage, Freude, Liebe, Leid, Geburten, Krankheiten und Todesfällen, an Schicksalen, Begegnungen und Abschieden - das pure Leben, ungeschönt. Nun findet die Langzeitdoku "Berlin - Ecke Bundesplatz" ihren Abschluss, und damit geht eines der faszinierendsten Kunstprojekte der Fernsehgeschichte zu Ende. Ab 19. Februar zeigt 3sat die Abschlussfilme an vier Abenden, jeweils ab 22.35 Uhr.

Gespür für den Zeitpunkt 1986 begannen Gumm und Ullrich, damals noch in den besten Vierzigern. "Jungs, dreht, was euch interessiert. Wir senden es", lautete der Auftrag der produzierenden Sendeanstalt WDR, erzählte Gumm der "Süddeutschen Zeitung". Das alleine wirkt schon wie aus einem anderen Zeitalter.

Ein "halbes Leben"

Dass es letztlich 26 Jahre wurden, ahnten beide nicht. "Wir haben unser halbes Leben mit diesem Projekt verbracht", sagte Gumm. Das Ende wurde nun beschlossen, weil es irgendwann "nur noch um Tod und Sterben" gehe: Die Themen von Leben werden mit dem Alter eben schmäler.

Über die Jahre sind sie selbst grau geworden. Gumm, der die Filmfirma Känguruh gründete und gemeinsam mit seinem Kompagnon rund hundert Dokumentarfilme drehte. Gumm ist heute 65 Jahre, Ullrich 70. Diese letzten vier Lebensläufe - jeder Film porträtiert einen Protagonisten - sind beglückend und berührend zugleich.

  • Wie der Promi-Anwalt Ülo Salm 1986 im Rolls-Royce durch Berlin kutschiert und frohgemut den Neureichtum genießt, und wie es Mitte der 1990er-Jahre ums Behalten und Anhäufen geht und 2000 plötzlich Gefängnis droht und Salm nach der Entlassung Trost in Gott sucht.
  • Oder wie Rauchfangkehrer Michael Creutz in Hollywood die Filmkarriere anstrebt und vorerst bei Burgerking landet.
  • Wie Gerhard Dahms mit Frau und Familie einen Dänemark-Urlaub genießt und Jahre danach, gezeichnet von einer Krebserkrankung, Auschwitz besichtigt. Später wird Gerda ihn am Krankenbett filmen.
  • Und wie der U-Bahn-Bedienstete Gerhard Rehbein eine entscheidende Veränderung beschließt und mit 30 zu studieren beginnt.

35 Stunden Material

Insgesamt wurden 35 Stunden ausgestrahlt, die in einer Gesamtausgabe als DVD erscheinen sollen. Jedes Jahr sechs Monate investierten sie in die Arbeit an Berlin - Ecke Bundesplatz. Sechzig Stunden Film in Echtzeit, tausende Stunden Rohmaterial.

Es zahlte sich immer aus. Jeder einzelne Film zeichnet sich durch großes handwerkliches Können, Gespür für den Zeitpunkt, an dem die Dokumentaristen die richtigen Fragen stellen, sorgfältigen Schnitt und liebevolle Hinwendung zu den Protagonisten aus. Und glückliches Timing: Drei Jahre nach Beginn fällt in Berlin die Mauer. Die politische Umstände sind plötzlich völlig anders und verändern die Menschen. (Doris Priesching, DER STANDARD, 19.2.2013)