BMW hat die R 1200 GS komplett überarbeitet. Herzstück ist der Boxermotor, der erstmals in der großen GS wassergekühlt ist

Auf der Schotterstraße war das ja noch ein rechter Spaß, am Kurvenscheitel das Gas wie besinnungslos aufzureißen und quer aus der Kurve zu schmieren. Aber jetzt am Asphalt mach ich mir gelinde gesagt fast in die wasserfeste Hose – schaff aber letzten Endes nicht einmal das.

Foto: bmw

Weil die Bergstraßen in Österreich noch fest in der Hand von sich stauenden Skiboxen sind, nehme ich gerne die Einladung von BMW-Motorrad an, die neue 12er-GS auf Mallorca zu testen (Die Aktionsbilder kommen von der internationalen Präsentation in Südafrika.) Auf Mallorca ist es auch kalt – zumindest den Mallorquinern. Es hat rund 10 Grad, die Sonne scheint, und die Wurstsemmel-Touristen fehlen noch zur Gänze, weil die ja dem Germknödl huldigen.

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Der Grip der Inselstraßen ist so gut, dass ich mich wundere, dass Mallorca für Sangriakübel statt für angeschliffene Knie-Pads bekannt ist. Entsprechend überraschend ist es dann, wenn einem gegen Kurvenende, bei voll aufgerissenem Gas, auf einmal das Hinterrad neugierig wird und schaut, was sich vorne tut.

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Mir wurscht, werden Sie denken, und: Mich interessiert, was an der GS jetzt neu ist, werden Sie sagen. Im Grunde irgendwie alles – weil der alte Boxermotor am Ende war. Mehr Leistung hätte BMW da nicht mehr herauskitzeln können. BMW hätte wohl sogar ein paar Pferde zurück in den Stall stellen müssen, um die kommenden, noch schärferen Abgasnormen erfüllen zu können.

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Also baute BMW ein komplett neues Motorrad, das trotz schärferer Optik aber immer noch klar als GS zu erkennen ist. Der Boxermotor ist nun wassergekühlt. Dabei umspülen nicht 5 Liter Kühlflüssigkeit die Euter, sondern mit lediglich 1,5 Litern kühlt BMW allein die thermisch am stärksten belasteten Bereiche – wie den rund um die Auslassventile. Damit wurden aber gleich Kupplung und Getriebe kompakter gebaut. Als Folge wandert der Auspuff auf die rechte Seite.

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Die Luftführung ist nun vertikal, was aus irgendeinem supertechnischen Grund viel supriger ist. Jedenfalls, die neue GS ist mit 125 PS und 125 Newtonmeter stärker und bläst fast nur mehr warme Luft durch den Auspuff. Was gleich geblieben ist: Sie hat zwei Räder, einen Karl-Dall-Blick, und sie ist gleich schwer wie die Vorgängerin mit ABS. Dafür hat sie jetzt Ride-by-wire, den elektronischen Gasgriff.

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Das heißt also, auch eine GS bietet als Sonderausstattung nun verschiedene Fahrmodi: Road, Dynamic, Enduro und Rain. Mit der Wahl der Fahrmodi sucht man sich aber nicht nur aus, wie direkt die GS das Gas annimmt, damit ändert sich auch Dämpfung, wie heftig das ABS eingreift und wie lange das ASC wartet, bis es eingreift.

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Ich bin natürlich im Dynamic-Modus unterwegs, als das Heck der GS zum Überholen ansetzt. Das ASC lässt einen schönen Slide zu, greift ganz sanft ein – und unterbricht nicht mehr, so wie bei der Vorgängerin, die Zündung. Die längere Schwinge der GS macht den Drift dann auch noch einen Tick seidiger. Einschlag jedenfalls fast unmöglich.

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Deshalb schaffe ich es dann auch irgendwie, meine Körperflüssigkeiten bei mir zu behalten, weil sich der Bock wieder ganz sanft fängt, bevor ich über die tiefe Seite rutsche oder highsidend den Rocketman imitiere. Mir taugt's, dass ich keine Rettung brauche, auch wenn der BMW-Motorrad-Produktmanager mein Hoppala sinngemäß mit den Worten quittiert: "Du bist der größte Feigling auf dieser Erde, wenn du so einen Rutscher nicht bis in die nächste Kurve ziehst!" Dabei: Gerutscht wären wir zuvor ohnedies ausreichend.

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Wir waren nämlich auch auf Mallorcas Schotterstraßen unterwegs. Normale Straßenbereifung. Kein Stollen-Schnick-Schnack. Nix. Sogar mit den Aluradeln, welche die GS jetzt serienmäßig drauf hat. Und es ist eine wahre Freude. Denn die GS ist nun rund um die Sitzbank schmaler. Man steht also besser auf ihr, muss keine O-Beine machen als hätte man mindestens einen Hodenbruch.

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Im Offroad merkt man die längere Schwinge auch – damit ist die GS einfacher zu fahren, weil sie stabiler die Spur hält. Zum Trialen setzt den Bock ja niemand ein – wenn wir Tomm Wolf und die GS Trophy-Teilnehmer einmal außen vor lassen.

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Im Enduro-Modus nimmt die BMW das Gas sehr sanft an, die Federn nehmen jeder Schotterpiste den Schrecken, und sogar das ABS kann man eingeschaltet lassen. Selbst kurze Blockierer lässt das System zu und verzögert auf losem Untergrund besser als ein ungeübter Fahrer. Einem Endurocrack mag das System aber sicher nicht das Wasser reichen.

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Ist die neue GS nun die beste GS aller Zeiten, wie BMW nach 441.000 verkauften großen GSn in den Wald ruft? Nein, werden viele zurückrufen, die letzte luftgekühlte GS war die letzte echte GS. Für andere war nach der 1150 schon alles nicht mehr so wie vorher. Aber wenn wir versuchen, eine doch so emotionale Frage objektiv zu beantworten, dann steht am Ende: Die neue GS hat etwas von der bekannten Boxercharakteristik eingebüßt, weil sie jetzt viel seidenweicher läuft. Den rauen Kern hat sie verloren. 

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Dafür reißt sie jetzt an, dass altgediegene GS-Fahrer den Hintern schon am Soziusbankerl suchen müssen, bevor sie noch in die zweite geschaltet haben. Im Offroad wirkte die alte GS, die eindeutig blunziger ist, einen Hauch agiler. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass es im direkten Vergleich leichter ist, eine alte, luftgekühlte 1200er-GS mit knapp 90.000 Kilometern – wie beim Offroad-Vergleichstest in Mallorca – hinzuwerfen als eine neue.

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Der Respekt versetzt die Grenzen der Wahrnehmung des eigenen Fahrkönnens. Dabei bildet das neue ASC jetzt eh wie bei einem Zug die Schienen, die man nur mit viel Gewalt verlassen kann, hab ich bemerkt.

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Und meine Güte, bald hätte ich es vergessen: Der Einstieg in die große GS-Welt wird um ein paar Hunderter billiger. Aber keine Sorge, wie üblich ist der Zubehör-Katalog von BMW besser gefüllt als das Geldbörsel eines Ölscheichs. Und auch Touratech hat zum Marktstart am 2. März bereits ein ordentliches Zubehör-Programm auf Lager.

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BMW R 1200 GS

Motor: 2 Zylinder-4-Takt-Boxermotor, 4 Ventile
Hubraum: 1170 ccm
Leistung: 92 kW (125 PS) bei 7.750 U/min
Drehmoment: 125 Nm bei 6.500 U/min
Anti-Hopping-Kupplung, 6 Ganggetriebe, Kardan
Radaufhängung vorne: Telelever
Radaufhängung hinten: EVO Paralever
Bremse vo.: Zweischeiben, Ø 276 mm, Brembo Monobloc-Sättel, ABS
Bremse hi.: Scheibenbremse, Ø 265 mm, 2-Kolben-Schwimmsattel, ABS
Reifen vorne: 120/70 R19
Reifen hinten: 170/60 R17
Gewicht fahrfertig: 238 kg
Sitzhöhe: 790 bis 810 mm
Preis: ab 16.950 Euro

(Guido Gluschitsch, derStandard.at, 18.2.2013)

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