Das blinde Paar ging gegen die Ablehnung als Adoptiveltern vor Gericht: Die Sozial- und Jugendamtsmitarbeiter, die ihre Eignung prüften, hätten sie wegen ihrer Behinderung diskriminiert. Die Verhandlung in Linz wurde Ende Jänner vertagt, um weitere Zeugen und einen Sachverständigen einzuvernehmen: eine Causa im Spannungsverhältnis von Kinderschutz und Bevormundung, das für Adoptionen charakteristisch ist.

Laut Helena Planicka, Geschäftsführerin des Adoptiv- sowie Pflegemütter und -väter prüfenden und schulenden Vereins Eltern für Kinder Österreich, sollen den Kindern weitere Verlusterfahrungen soweit wie möglich erspart werden: "Das Trauma darf sich nicht wiederholen".

Daher schaue man genau hin, bei Menschen, die altersmäßig und gesundheitlich passend erscheinen ebenso wie bei Personen, die schon über 50 Jahre, also mehr als eine Generation älter als kleine Kinder sind - oder auch Menschen mit Behinderung: "Sind beide Partner über 50, so sollten jüngere Verwandte oder Freunde existieren. Auch bei behinderten Menschen geht es ums soziale Umfeld und wie viel Hilfe ihnen zur Verfügung steht", erläutert die Sozialarbeiterin.

Strenge Kriterien

Im Ergebnis müssen Adoptionswillige in Österreich strenge Kriterien erfüllen. Diese sind, von wenigen bundesweiten Regeln abgesehen, von Bundesland zu Bundesland verschieden. So wird etwa die Altersfrage in Wien, Niederösterreich und Vorarlberg strenger gefasst als anderswo in Österreich.

In Wien und Oberösterreich wiederum sind Lesben und Schwule als Pflegeeltern zugelassen, woanders nicht: Laut Verfassungsgerichtshof kein Widerspruch zu den Menschenrechten, wie dieser Ende Jänner einem Frauenpaar im niederösterreichischen St. Pölten beschied. Die beiden Frauen hoffen nun auf den Verwaltungsgerichtshof.

In Österreich tue man sich mit Lesben und Schwulen als Eltern im Westeuropavergleich schwer (siehe Geschichte unten), meint hier Planicka, die selber mit ihrer Lebensgefährtin drei Kinder erzieht. Aus ihren Erfahrungen als Expertin in koalitionären Arbeitsgruppen vor Einführung der eingetragenen Partnerschaft für Homosexuelle hat sie den Eindruck mitgenommen, "dass vielfach am Familienbild mit Vater, Mutter und zwei Kindern als Norm festgehalten wird, obwohl man es in Wahrheit besser weiß". Wer adoptieren wolle, solle dem Ideal offenbar ganz besonders entsprechen.

Innenpolitisch kontrovers

Tatsächlich bleibt das Thema Adoption für Österreichs Innenpolitik kontrovers: Während ein Sprecher von Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) keinen Änderungsbedarf sieht, schlägt Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) weite Liberalisierungen vor (siehe Interview). Auch der schwarze Familienminister Reinhold Mitterlehner betont in aktuellen Interviews, er sei gegen das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Die Idealvorstellung von Familie bestehe für die ÖVP weiterhin aus Vater, Mutter, Kinder.

Am Dienstag wird auch Planicka interessiert nach Straßburg blicken, wo der Menschenrechtsgerichtshof seinen Spruch im Fall eines österreichischen Lesbenpaares verkünden will: Einer Partnerin wurde die Adoption des Kindes der anderen verweigert, die beiden berufen sich auf das Diskriminierungsverbot.

Doch auch über dieses Stiefkindadoptionsurteil hinausgehend sei in Österreich Dynamik spürbar, sagt Martina Reichl-Roßbacher, Leiterin des Referats für Adoptiv- und Pflegekinder der Stadt Wien. Vor allem, dass diverse Promi-Eltern wie Angelina Jolie und Brad Pitt so offen mit Adoption umgehen, habe geholfen, das Thema zu enttabuisieren.

Seit 2006 werden gleichgeschlechtliche Paare in Wien explizit als Pflegeeltern beworben, verboten war es aber auch vorher nicht: "Das war wohl vielen nicht bewusst, mit der Kampagne haben wir einen echten Hype erlebt. Es ist ein totaler Gewinn und eine Bereicherung für alle", sagt Reichl-Roßbacher. Sie persönlich bedauere es, dass homosexuelle Paare in Österreich nicht adoptieren dürfen. Grundsätzlich gehe es immer darum, für jedes einzelne Pflege- und Adoptionskind die passende Familie zu finden. (Irene Brickner, Julia Herrnböck, DER STANDARD, 18.2.2013)