Seit Wochen machen die Warnungen vor einem Währungskrieg in der internationalen Finanzwelt die Runde, beim Treffen der G-20-Finanzminister und Notenbanker in Moskau an diesem Wochenende wurde mit einem Showdown gerechnet.

Aber der Währungskrieg findet in Moskau nicht statt. Er findet nirgendwo statt, weil es ihn nicht geben kann. Die großen Währungsblöcke, um die es hier geht – USA, Eurozone und Japan – haben gar nicht die Mittel, einen solchen Krieg zu führen. Denn sie kontrollieren ihre Wechselkurse nicht. Die Finanzmärkte tun es.

Deshalb sind die Drohungen mit und Warnungen vor rivalisierenden Abwertungen bloß ein leeres Gerede von Politikern, die nicht verstehen, in welchem Währungssystem sie leben, und von Journalisten, die solches Geschwätz unkritisch übernehmen.

Dessen einzige Folge sind Missstimmungen auf der Regierungsebene, die dann mühsam wieder beigelegt werden müssen.

Begonnen hat alles mit der Warnung der brasilianischen Regierung vor rund einem Jahr, dass die lockere US-Geldpolitik den Dollar gegen die eigene Währung in den Keller treibe. Dann kam der Druck der neuen japanischen Regierung auf ihre Notenbank, ihre Zinsen weiter zu senken, um die lahme Konjunktur anzukurbeln. Dabei sprachen Beamte auch vom Wunsch nach einem schwächeren Yen.

Und dann folgte der französische Präsident Francois Hollande mit seinem Appell im Europaparlament, der Aufwertung des Euro entgegenzuwirken und die Wechselkurse nicht den Märkten zu überlassen. Damit war der rhetorische Währungskrieg im vollen Gange; auf jede neue Äußerung reagierten die Devisenmärkte mit erregten Zuckungen.

Aber all das war und ist ein Sturm im Wasserglas. Vor 40 Jahren haben die großen Industriestaaten beschlossen, die wichtigsten Wechselkurse untereinander den Märkten zu überlassen und nicht versuchen, sie zu steuern. Ihre Notenbanken kontrollieren zwar die Geldpolitik, und diese hat Auswirkungen auf die Kurse. Aber diese dient in erster Linie der Steuerung der Binnenwirtschaft, nicht der Wechselkurse.

Es ist das gute Recht der Staaten, ihre Geldpolitik so zu gestalten, wie sie es für richtig erachten, und sich nicht an der Reaktion der Devisenmärkte zu richten. Wenn die Konjunktur schwach ist, wie derzeit in den meisten Industriestaaten, dann sind niedrige Zinsen eine sinvolle Maßnahme und keine internationale Kriegserklärung.

Und auf die Währungsrelationen wirken auch viele andere Kräfte als nur die Erhöhung oder Senkung der Zinsen: Wachstumsprognosen, politische Ereignisse, oder die Entwicklung der Leistungsbilanz.

So kann es passieren, dass eine Notenbank die Zinsen senkt oder eine Runde „Quantitative Easing“ einleitet und der Wechselkurs dennoch steigt – etwa weil die Schritte Hoffnung auf eine Konjunkturerholung machen oder sich die Einschätzung der anderen großen Volkswirtschaften verschlechtert.

Ein General, der nie weiß, ob seine Geschoße den Feind treffen oder die eigenen Truppen, der wird keinen Krieg führen können. Und so ist es mit den Notenbankern und Finanzministern.

Natürlich können Länder ihre Wechselkurse kontrollieren bzw. manipulieren. Sie können die Kapitalflüsse massiv einschränken, so wie es China immer noch tut. Doch das wäre im Falle hochentwickelter Industriestaaten mit riesigen Finanzsektoren mit unerträglich hohen Kosten verbunden.

Sie können auf eine eigenständige Geldpolitik verzichten und immer den Schritten jene Notenbank folgen, an deren Währung sie sich ketten wollen. Das tun Länder mit so genannten „Currency Boards“ (Hongkong, Lettland oder Bulgarien), das tat Österreich bezüglich Deutschland genauso wie  andere EU-Staaten im Europäischen Währungssystem, und das ist letztlich das Grundprinzip der Eurozone: eine Notenbank und eine Geldpolitik schafft völlig feste Wechselkurse.

Und kleinere Staaten wie etwa derzeit die Schweiz können versuchen, über Zinspolitik und direkten Devisenmarktinterventionen den Wechselkurs stabil zu halten – immer in der Sorge, dass die Märkte sich dagegen mit massiven Spekulationen auflehnen. Wenn diese Kräfte damit Erfolg haben, dann winken Großinvestoren wie George Soros Milliardengewinne – auf Kosten der Steuerzahler.

Das Schreckgespenst der feindlichen Abwertungen in den 30er Jahren, die damals den Protektionismus weiter anfachten, ist ein schlechter Vergleich. Damals waren der Devisenhandel viel kleiner und die Regierungen gewohnt, Wechselkurse selbst festzusetzen. Schließlich hatten sie alle noch kurz davor den Goldstandard befolgt.

Deshalb sollten Politiker und Notenbanker aus Japan, der Eurozone und den USA (die letzteren tun es ohnehin nicht) aufhören, über Wechselkurspolitik zu reden und damit Ängste vor einem Währungskonflikt anzufachen.

Weder Euro noch Dollar oder Yen sind derzeit extrem über- oder unterbewertet, es gibt keine massiven Fehlentwicklungen. Eine deutliche Abwertung würde nur kurzfristige Vorteile bringen. Mit einem Währungskrieg hätte niemand etwas zu gewinnen. (derStandard.at, 16.2.2013)