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Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein.

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Urlauber können am Dorfleben teilnehmen und zum beispiel die Ziegen melken.

In Nachbars Garten stupst der Wind den Käse an. Er baumelt schon ein paar Stunden eingehüllt in Perlonstrümpfen an der Wäscheleine. An diesem Tag hat der Schäfer eine zweite Ladung Milch gebracht. Serife Aribey sitzt also noch einmal vor dem Kessel und rührt mit einem Besenstil in der dampfenden Flüssigkeit. Später tunkt sie ihre Arme tief hinein und schöpft den Frischkäse heraus. Verwandte aber auch völlig Fremde helfen ihr dabei, dann rollen sie den Käse in ovale Brocken. Es ist " Hellim-Zeit" in Büyükkonuk auf Nordzypern.

Nach alter Tradition stellen hier die Frauen den zypriotischen Käse her, der bei Wärme nicht schmilzt und im Mund quietscht wie Kaugummi. "Ich esse ihn am liebsten frisch, nur mit etwas Zucker", schwärmt Aribey und stellt den Besuchern eine Schale frischen Käse hin. Ihr Leben lang hat sie Hellim gemacht. "Es ist schon komisch, dass auf einmal Urlauber dabei zuschauen und sogar mithelfen wollen", wundert sie sich.

Seit 2007 ist das Dorf Büyükkonuk im Agrotourismus aktiv und gilt inzwischen in Nordzypern als Vorbild für nachhaltige Entwicklung. Urlauber mit Lust aufs Ländliche nehmen am Dorfleben teil, indem sie Ziegen melken, Brot backen, Artischocken, Oliven und Orangen ernten oder sich im Auspressen des Quietschkäses üben. Das 800-Einwohnerdorf liegt am Fuße des Fünffingergebirges und gilt als Tor zur Landzunge Karpaz, die wie ein Zeigefinger ins Meer ragt. Hier scheint die Zeit vor einigen Jahrzehnten stehen geblieben zu sein. Esel grasen im Schatten der Johannisbrotbäume, Hirten treiben am Nachmittag ihre Schafe in den Stall. Immer wieder stößt man auf Ruinen von Kreuzritterburgen aus byzantinischer Zeit und auf alte Olivenmühlen, die anderswo schon im Museum stehen. Auch die Zyprioten machen gerne Urlaub auf Karpaz, wo die meisten noch von der Landwirtschaft leben.

Weckruf zum Morgengrauen

Neben verlassenen, orthodoxen Kirchen dominieren die Minarette der Moscheen das Ortsbild, allerdings beten drinnen mehr Gastarbeiter aus der Türkei als Zyprioten. Der 67-jährige Ayer Teksu etwa war zuletzt als Kind in einer Moschee, nun wohnt er direkt neben einer. Jeden Morgen um fünf Uhr weckt ihn der Ruf des Muezzin. "Wir haben schon oft beantragt, den Lautsprecher leiser zu drehen, leider ohne Erfolg", bedauert er. In seinem ansonst ruhigen Garten stolziert ein zugelaufenes Huhn über die trockenen Beete. Auf ganz Zypern herrscht nach wie vor Wassermangel. Deshalb überlegt man hier nun sogar den Bau einer unterirdischen Trinkwasserleitung aus der Türkei.

Trotzdem sprießt die Insel jedes Frühjahr in üppigem Grün. Es ist die beste Zeit für Wandertouren im Fünffingergebirge, wo es über verschlungene Pfade durch den Alefvkaya Forst geht. Es riecht nach Thymian, Salbei und einem würzig duftenden Unkraut, das bei uns Klebriger Alant heißt. Hier gedeihen auch viele endemische Arten wie der Hilarion-Kohl, der - seinem Namen zum Trotz - eine Orchidee ist oder die Terpentinpistazie, ein Baum mit roten Blättern, dessen Öl die Gerber früher als Zusatzstoff für weicheres Leder verwandten.

Auch wenn die Zeiten lange vorbei sind, als die Zyprioten die meisten Dinge für den täglichen Bedarf selbst herstellten, scheint es nun in mehreren Dörfern Nordzyperns "zurück zur Natur" zu gehen - wiewohl aus anderen Gründen, wie auch ein aktuelles Projekt in Bagliköy zeigt: Von Landflucht bedroht soll das Dorf nun mit Hilfe der Agrotouristen wiederbelebt werden. Bagliköy liegt direkt an der Grenze zum Süden - umrandet von bewaldeten Hügeln, in denen sich schon jetzt die Wanderer und Mountainbiker austoben. Unter Mithilfe von Experten sind die Einwohner dabei ihr Dorf zu verschönern. Sie pflanzen Blumen, erneuern bröckelige Mauerfassaden mit Naturstein statt Beton und nehmen an Schulungen der Uno teil. Denn derzeit bewacht noch das Militär die Aussichtshügel, es will jedoch abziehen, sobald im Dorf der Tourismus einkehrt. (Monika Hippe, DER STANDARD, Album, 16.2.2013)