München - Ungewöhnliche Assistenten könnten künftig älteren Menschen das Leben in der eigenen Wohnung ermöglichen: Die Wände sollen zu Helfern im Alltag werden. Forscher haben ein System entwickelt, dass auf Brille oder Haustürschlüssel aufpasst, Gesundheitsdaten auswertet und in Kontakt mit Ärzten und Hilfsdiensten steht. Es versteckt sich in einer Wandverkleidung. Vorgestellt wird die intelligente Garderobe am 20. Februar auf der Munich Creative Business Week. Modelle für weitere Zimmer sollen folgen.

Die meisten älteren Menschen wollen so lange wie möglich zu Hause wohnen bleiben. Machen Körper und Geist aber nicht mehr richtig mit, beginnen die Probleme: Die Brille ist genauso wenig auffindbar wie das Telefonbuch und beim Einkaufen liegt der Haustürschlüssel zu Hause. Aus Unsicherheit über die eigene Fitness oder einfach nur über das Wetter trauen sich manche Senioren gar nicht mehr vor die Tür.

Prototyp im Flur

Forscher der Technischen Universität München (TUM) und Unternehmen haben nun eine Wandverkleidung konstruiert, die für solche Probleme eine Anlaufstelle in der eigenen Wohnung ist. In die Wand eingelassen ist ein Tablet-Computer. Ob Wettervorhersage, Busverbindung oder die Telefonnummer der Tochter – die Nutzer müssen nicht mehr nach Zeitungen, Fahrplänen oder Merkzetteln kramen. Stattdessen können sie an einem Ort alle Informationen über leicht verständliche Buttons abrufen.

Gedacht ist der Prototyp für den Flur. Er sieht deshalb aus wie eine Garderobe – aber eine intelligente: Beim Öffnen der Wohnungstür warnt die Wand, wenn der Schlüssel nicht kurz zuvor aus seinem Kasten genommen wurde. Auch andere Dinge, die man oft in der Wohnung verlegt, hat die Wand unter Kontrolle. Sie steuert ein sogenanntes Indoor Positioning System, das Gegenstände wie beispielsweise die Brille orten kann.

Biosensoren messen Blutzucker

Fühlen sich die Bewohner nicht fit, können sie über Biosensoren die wichtigsten Vitaldaten wie Blutdruck und -zucker messen. Das System gibt dann Empfehlungen, ob Bewegung gut tut oder wahrscheinlich ein Medikament eingenommen werden muss. Erkennt es einen kritischen Gesundheitszustand, stellt es die Verbindung zu Ärzten oder Pflegediensten her. Diese könnten das Terminal auch nutzen, um solche Gesundheitsdaten regelmäßig zu beobachten. Dienstleister, etwa für Einkauf oder Fahrten, könnten ebenfalls angeschlossen werden.

Darüber hinaus kümmert sich die Wand um die Haustechnik. Zum Beispiel sorgt sie mit einer integrierten Klimaanlage für frische Luft, sollten die Bewohner vergessen zu lüften.

Andere Wohnbereiche

Langfristig wollen die Forscher solche Wandverkleidungen für alle Wohnbereiche konstruieren. In der Küche beispielsweise könnte die Wand den Herd überwachen oder mit höhenverstellbaren Schränken das Kochen erleichtern. Zwischen den Stationen soll ein kleiner zusätzlicher Helfer unterwegs sein: ein fahrbarer Roboter, auf den man beispielsweise einen Einkaufskorb abstellen kann. Den bringt der Roboter dann auf Zuruf vom Flur in die Küche.

Wichtig ist den Wissenschaftlern: „Die Menschen sollen so selbstständig wie möglich bleiben", sagt Prof. Thomas Bock vom Lehrstuhl für Baurealisierung und Baurobotik. „Die Assistenten sollen ihnen immer nur das abnehmen, was sie selbst nicht mehr können." Deshalb sollen die Wände flexibel sein: Nach und nach können einzelne Elemente je nach Bedarf eingebaut werden.

Bei aller Hightech haben die Forscher bei der Flurwand bewährte analoge Funktionen nicht vergessen: Neben Kleiderhaken gibt es am Boden einen praktischen Schuhanzieher. (red, derStandard.at, 15.2.2013)