Jeder kennt sie - egal ob vom Wegschalten oder Zuschauen: die Castingshows. Nobodys mühen sich mit ihren Darbietungen ab und hoffen auf den Durchbruch per Publikumsvoting. Zwischendurch dürfen sie von einer Jury manchmal gelobt, meist aber lächerlich gemacht werden. Am Ende steht ganz selten der große Erfolg.

Jetzt könnte das Prinzip "Castingshow" auch in der österreichischen Politik Einzug halten. Geht es nach Plänen von SPÖ und ÖVP, heißt es bald "Österreich sucht die Superanfrage": Im Rahmen des "Demokratiepakets" ist vorgesehen, Bürgeranfragen zu ermöglichen, die dann auch im Parlament diskutiert werden könnten.

Die Bürgeranfrage soll eine Woche gecastet werden. Finden sich in dieser Zeit 10.000 Fans, die die Anfrage unterstützen - dann wäre die erste Hürde genommen. Es reicht aber nicht mehr, wie sonst in einer Demokratie üblich, ein bestimmtes Ausmaß an Unterstützern zu haben, nein, man muss auch die anderen Mitbewerber ausstechen. Jene sieben Anfragen, die frei nach den neuen Castinggesetzen die meisten Unterstützer aufweisen, werden dann im Parlament diskutiert - allerdings ohne (!) Anfragesteller.

Radikale Umkehr

Die Debatte müsste aber längst weiter sein. Denn an dem Missstand, dass Politik und Behörden sich nach wie vor per Amtsgeheimnis vor ihren Bürgern schützen, wird auch eine Bürgeranfrage, die zur parlamentarischen Superanfrage gekürt wird, nichts ändern. Da hilft nur eine radikale Umkehr: Alle behördlichen Informationen sind öffentlich zugänglich zu machen, wenn nicht ausdrücklich in sehr engen Grenzen gesetzliche Ausnahmen vorgesehen sind oder datenschutzrechtliche Gründe entgegenstehen.

Der Politik muss also eine Veröffentlichungspflicht auferlegt und den Bürgern ein grundrechtlich garantiertes Auskunftsrecht gegenüber Behörden zuerkannt werden. Das würde das Verhältnis von Bürger und Staat endlich auf ein zeitgemäßes Niveau heben, ohne Ersteren zum Bittsteller oder zur Castingnummer zu degradieren. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Informationen, die bei Behörden vorhanden sind, gehören nämlich der Allgemeinheit, nicht dem Amt. Die Liste der Lippenbekenntnisse zur neuen Informationsfreiheit reicht mittlerweile von Kanzler Faymann bis zu Staatssekretär Kurz. Das lässt grundsätzlich Schlimmes befürchten. Vielleicht ist das aber auch eine Chance, und SPÖ und ÖVP haben tatsächlich die Zeichen der Zeit erkannt. Notwendig wäre es. Fehlende Transparenz und Bürgernähe in der Verwaltung erzeugen Demokratiedefizite und Korruptionsgefahr. Da helfen keine Superanfragen - da braucht es verbriefte Rechte. (Albert Steinhauser, DER STANDARD, 15.2.2013)